Das Krisenjahr 1923

Weimarer Republik, Krisenjahr 1923, Lebensmittelgeschäft
Krisenjahr 1923, Lebensmittelgeschäft

Die Weimarer Republik kämpfte im Krisenjahr 1923 um ihre Existenz. Zwar zählt 1923 zu den Revolutions- und Putschjahren, doch unsere Region war besonders betroffen, daher gibt es einen eigenen Beitrag dazu.

Ruhrbesetzung

Zum Ende des Jahres 1922 war Deutschland mit Kohle- und Holzlieferungen im Rückstand, und die Alliierte Reparationskommission stelle mehrheitlich einen Verstoß gegen den Versailler Vertrag fest. Daraufhin ließ der französische Ministerpräsident Raymond Poincaré am 11. Januar 1923 60.000, später 100.000 französische und belgische Soldaten im Ruhrgebiet einmarschieren, um den Zugriff auf die Kohlevorkommen zu sichern.

Dortmund Hbf, 1923
Dortmund Hbf, 1923

Die Reichsregierung Wilhelm Cuno rief am 13. Januar zum passiven Widerstand auf: Anordnungen der Besatzer wurden nicht befolgt, Generalstreiks legten Industrie, Verwaltung und Verkehr im Ruhrgebiet fast lahm. Auch Wirtschaftszweige, die vom Ruhrgebiet abhingen, kamen zum Erliegen.

Doch der passive Widerstand forderte große Opfer, denn rund 150.000 Personen wurden bestraft oder ausgewiesen, und an die zwei Millionen Menschen hatten kein Einkommen mehr. Die Unterstützung für die bedürftigen Familien, die „Ruhrhilfe“, linderte die größte Not. Trotz aller Aufrufe zur Besonnenheit kam es auch zunehmend zu Sabotageakten und Anschlägen gegen die Besatzungstruppen, bei denen mehr als 100 Menschen ums Leben kamen.

Königswinter wird besetzt

In den besetzten Gebieten verschärften sich die Spannungen zwischen den französischen Truppen und den Einheimischen. Vielen Menschen wurden abgeschoben, allein in Bonn waren es 350. Oft schlossen sich junge Männer, die von der „Ruhrhilfe“ lebten, separatistischen Gruppen an.

Weitere „Einbruchsgebiete“ im südlichen Siegkreis und nördlichen Kreis Neuwied wurden besetzt. Am 25. Februar 1923 besetzten französische Truppen Königswinter, am 1. März Bad Honnef. Anfang April waren die Bürgermeister beider Städte in Haft.

Inflation

Doch die Unterstützung der bedürftigen Familien verschlang Unsummen, die die krisengeschüttelte Republik nicht aufbringen konnte. Die Reichsregierung wusste sich nur noch mit der Ausgabe neuen Geldes zu helfen. Dabei stand Deutschland seit Jahren auch wirtschaftlich mit dem Rücken zu Wand, denn es war hoch verschuldet und kämpfte gegen eine Inflation an.

Damit sie ihren Verpflichtung nachkommen konnte, hatte die Regierung neue Banknoten drucken lassen und in Umlauf gegeben, obwohl sie nicht ausreichend gedeckt waren. Schon kauften gewiefte Geschäftsleute Sachwerte auf Kredit, um diesen später dann mit entwertetem Geld zu tilgen. Das Vertrauen in die Mark schwand, und seit Mitte des Jahres 1922 gaben Kommunen oder Unternehmen „Notgeld“ aus. Je mehr Geld aber in Umlauf kam, desto mehr verlor es an Wert, und die Preise stiegen an einem einzigen Tag mehrfach an.

Schließlich sank der Wert der Mark ins Bodenlose, die Wirtschaft brach fast zusammen, und die Inflation vernichtete das wenige, was vielen Menschen nach dem Krieg geblieben war. Es war unverantwortlich, den passiven Widerstand aufrecht zu erhalten, auch wenn es eine unpopuläre Entscheidung war.

Reichskanzler Stresemann

Nach dem Rücktritt Cunos im August wurde Gustav Stresemann von der Deutschen Volkspartei Reichskanzler und Außenminister. Er konnte noch einmal eine Große Koalition zusammenbringen, in der seine eigene DVP, das katholische Zentrum, die linksliberale Deutsche Demokratische Partei und und die SPD vertreten waren.

Stresemann hoffte, dass England Deutschland bei den Reparationszahlungen entgegenkomme würde. Doch Ende September war der „Ruhrkampf“ gescheitert; Stresemann erklärte am 26. September 1923 den passiven Widerstand für beendet und verhängte den Ausnahmezustand.

Soll das Rheinland versacken?

In dieser schlimmen Lage wurde in Berlin ernsthaft darüber nachgedacht, die Zahlungen einzustellen und das besetzte Gebiet seinem Schicksal zu überlassen, es „versacken“ zu lassen. Mit anderen Worten: zumindest für einige Zeit wäre das Rheinland vom übrigen Deutschland losgelöst. Später, so überlegte man weiter, könnte man es sich mit Waffengewalt wiederholen. Die starre Haltung des französischen Ministerpräsidenten Poincaré gab den Verfechtern dieser „Versackungspolitik“ Auftrieb.

Aus Sicht des Kölner Oberbürgermeisters Konrad Adenauer hingegen musste man immer wieder versuchen, in Verhandlungen mit Frankreich eine Lösung zu finden. Doch Frankreich beharrte auf der Abtrennung des Rheinlandes von Deutschland, das machte weitere Gespräche unmöglich.

Separatisten im Rheinland

Nun sahen die Separatisten ihre Stunde gekommen und schlugen los.
Dazu gibt es zwei eigene Beiträge:
Separatisten und Rheinische Republik
„Separatistenschlacht“ im Siebengebirge

Autonome Pfalz

Auch in der Pfalz gab es Bestrebungen zu Loslösung von Bayern und auch vom Reich. Im Kabinett von Matthes und Dorten war auch der Pfälzer Separatist Franz-Josef Heinz. Anfang November 1923 trat er ganz offen an die Spitze der pfälzischen Separatisten. Bewaffnete Trupps, unterstützt durch die französischen Militärbehörden, besetzten die öffentlichen Gebäude der größeren Orte. Am 12. November 1923 wurde in Speyer die „Pfälzische Republik im Verbande der Rheinischen Republik“ ausgerufen.

„Roter Oktober“ in Sachsen und Thüringen

Längst stand die Reichsregierung mit dem Rücken zur Wand. In Sachsen und Thüringen wollte die KPD aus der Krise Profit schlagen. Ab September stellte sie mit Geld und Militärexperten aus Moskau „Proletarische Hundertschaften“ auf, insgesamt 50-60.000 Mann. Zudem trat die KPD in Dresden und in Weimar in die SPD-geführten Landesregierungen ein. Für Reichspräsident Ebert und Reichskanzler Stresemann war es untragbar, dass Kommunisten als geschworene Feinde der parlamentarischen Demokratie Staatsämter übernahmen. Daher kommandierte Ebert Reichswehrtruppen nach Dresden und Weimar (Reichsexekution). Es kam zu schweren Kämpfen mit vielen Toten und Verletzten.

Am 23. Oktober wurde ein kommunistischer Aufstand in Hamburg niedergeschlagen.

Hitlerputsch in Bayern

In Bayern kam es zum offenen Bruch mit der Reichsregierung. Unter dem weit rechts stehenden Generalkommissar Gustav von Kahr entwickelte sich Bayern zur nationalistischen „Ordnungszelle“ des Reichs. Nach dem Abbruch des passiven Widerstandes verweigerten die Landesregierung und die dort stationierte 7. Reichswehrdivision der Reichsregierung die Anerkennung.

Am 8./9. November putschten Hitler und Ludendorff.

10 Kommentare

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*