Marguerite von der Löwenburg

Siebengebirge Märchen, Marguerite von der Löwenburg
Burg Löwenburg, Brexger und Marguerite, Drache Siefnir

Eine Sage aus dem Siebengebirge um Ritter Brexger auf der Löwenburg, den Drachen Siefnir und seine Liebe Marguerite. Sie spielt im Jahr 1209 in unserer Region.

Zehn Jahre lang hatten Otto IV. und Philipp von Schwaben um den Thron gekämpft, und als Ottos Sache schon verloren schien, wurde Philipp im Juni 1208 in Bamberg ermordet. Daraufhin hatten auch die Anhänger der Staufer Otto anerkannt. Der ließ die Mörder Philipps von Schwaben verfolgen und verlobte sich mit dessen Tochter Beatrix.

Eine Familie in Trauer

Endlich war der Thronkrieg vorbei. Er hatte auch die Grafenfamilie von Sayn schwer heimgesucht. Lange hatte eine erbitterte Fehde getobt zwischen Graf Heinrich II. und seinem Bruder Graf Eberhard II. von Sayn und Dietrich von Landsberg, einem Anhänger der Staufer. Die Grafen waren in die Gefangenschaft des Landsbergers geraten und 1202 an den Folgen der erlittenen Torturen verstorben. Der junge Graf Heinrich III. hatte schon früh die ganze Verantwortung für die Familie übernehmen müssen.

Der älteste Onkel des jungen Grafen, Bruno von Sayn, hatte die Sache Ottos IV. beim Papst in Rom vertreten und war 1205 Erzbischof von Köln geworden. Während der Kriegsjahre hatte er eine lange Gefangenschaft überstehen und sich dann in Rom um sein Bistum schlagen müssen. Erst 1208 war er zurückgekehrt. Danach war ihm nur wenig Zeit in Frieden verblieben. Er war krank geworden, hatte sich auf die Burg Blankenberg zurückgezogen und war dort am 2. November 1208 verstorben.

Graf Heinrich III. und sein treuer Ritter Brexger

Das war erst wenige Monate her. Graf Heinrich III. kam oft nach Blankenberg, in Begleitung seines treuen Ritters Brexger. Der hielt sich stets im Hintergrund, wenn der Graf an der Burgmauer stand und stumme Zwiesprache mit seinem verstorbenen Onkel zu halten schien. Sie alle hatten mit ihm gebangt und gelitten.

Der lange Thronkrieg hatte ihrer beider Jugend überschattet, und sie wagten nicht zu träumen. Zwar hatten sich die Anhänger der Staufer nun Otto angeschlossen, doch Brexger und der Graf wussten wohl, wie wankelmütig einige Fürsten des Reiches waren. Und doch war es an der Zeit, wieder Hoffnung zu schöpfen. Vielleicht würde es eine Hochzeit geben mit dem jungen Grafen und Mechthild, der Tochter Dietrichs von Landsberg. Da liefen schon Verhandlungen, Boten reisten von und nach Thüringen, der Abt von Heisterbach und sogar Papst Innozenz III. in Rom waren einbezogen. Brexger dachte auch an seine eigene Liebe, an Marguerite.

Marguerite und Otto – Kindheit im Poitou

Marguerite war ein junge Frau aus dem Poitou, aus den Angevinischen Reich der Plantagenets. Brexger hatte sie an Ottos Hof gesehen und war gleich Feuer und Flamme gewesen, und auch Marguerite war von dem jungen Ritter angetan.

Otto hatte als Bub mit seinem Vater Heinrich dem Löwen in die Verbannung gemusst. Die Familie war an den Hof von Heinrichs Schwiegervater Heinrichs II. Plantagenet von England gegangen, und so war Otto in England und Westfrankreich aufgewachsen, man konnte ihn gewiss als angevinischen Prinzen bezeichnen. Manchmal besuchte er seine Großmutter Eleonore von Aquitanien in Poitiers. Dort lebte Marguerites Mutter mit ihrer Tochter. Sie war Stickerin in Diensten Eleonores, und auch Marguerite war schon als kleines Mädchen sehr geschickt mit der Sticknadel. Damals hatte sie Otto kennengelernt. Sie war über eine viel zu lange Schleppe gestolpert, und Otto und andere Halbwüchsige hatten darüber gelacht. Marguerite war wütend geworden, hatte sich aufgerappelt und ihn in die Nase gezwickt. Otto hatte erkannt, dass er diese Strafe verdient hatte, und die beiden waren trotz aller Standesunterschiede Freunde geworden.

Nun war alles anders. Längst standen die Truppen des französischen Königs Philipp II. August in weiten Teilen des Angevinischen Reiches. Eleonore von Aquitanien war 1204 verstorben, und Marguerite hatte alleine dagestanden. Otto aber wollte nicht, dass sie in einer trostlosen Ehe ihr Lachen verlor, und hatte sie zu sich an den Hof geholt. Dort hatte Brexger sie kennengelernt.

Die große Liebe ..

Dann, am Ende eines bewegten Jahres (eben hatte man Dietrich von Hengebach als Nachfolger Brunos im Amt des Kölner Erzbischofs bestimmt), hatte Otto das Weihnachtsfest 1208 in Bonn gefeiert und auch den Grafen von Sayn und Brexger als treuen Verbündete eingeladen. Endlich konnten Brexger und Marguerite unbeschwert etwas Zeit miteinander verbringen und Pläne für ein gemeinsames Leben schmieden.

Bei aller Freude dachte Brexger an seinen besten Freund, den kleinen Erddrachen Siefnir. Wie sollte er nur einer Frau seine Freundschaft mit einem Drachen erklären? König Otto schien zu ahnen, was ihn bedrückte. „Brexger, Euch gebe ich Marguerite gerne“, sagte er lächelnd, „Ihr habt Sinn für die Dinge zwischen Himmel und Ende, die in keinem noch so klugen Buch stehen. Vergesst nicht, dass Marguerite und ich im Poitou aufgewachsen sind. Dort kennen wir die Geschichte eines mythischen Wesens, Melusine, die Familie Lusignan führt sie sogar als ihre Ahnherrin im Wappen.“ Marguerite war zu ihnen getreten. „Vielleicht war es ja auch ein Drache..“ fügte Otto lächelnd hinzu. „Oh, einen Drachen unter meinen Ahnherrn habe ich mir oft gewünscht“, sagte Marguerite nun, „einige von den Lusignans tragen ihre Nasen ziemlich hoch. Wie oft habe ich mir da einen Freund in der Familie gewünscht, am liebsten einen Drachen, die sind bei allem Feuerspeien nicht so eingebildet.“ Otto nickte lächelnd und ließ Brexger und Marguerite alleine. „Dann wirst Du bald einen sehr lieben Drachen kennenlernen“ sagte er, „und ich bin sicher, dass auch er Dich gleich in sein Herz schließen wird.“

.. und der beste Freund

Und so kam es, dass Brexger einige Tage später seiner Liebe Marguerite seinen besten Freund Siefnir vorstellte. Marguerite war sehr aufgeregt, sie konnte gar nicht glauben, dass da ein leibhaftiger kleiner Drache vor ihr saß und sie fast schüchtern anschaute. „Ich habe gehofft, dass es Euch gibt“, sagte sie, „aber sicher war ich mir nicht. Um so mehr freue ich mich jetzt, Dich kennenzulernen.“ Sie kraulte Siefnir, und der schaute ganz glücklich. „Aber bewahren wir unser Geheimnis unter Freunden“, sagte sie im Verschwörerton, „man muss vorsichtig sein, mit wem man redet.“

Marguerite auf der Löwenburg

Seit einigen Wochen wohnte Marguerite nun mit ihren Damen auf der Löwenburg. Bevor Otto IV. zu seiner Kaiserkrönung nach Italien zog, hatte er Brexger und Marguerite noch einmal empfangen und ihnen seinen Segen gegeben. Wenn er wieder zurück wäre, bat er, müssten sie ihn unbedingt wieder aufsuchen, jetzt, wo endlich Frieden war und man auch an etwas anderes denken konnte.

Doch zunächst musste es auf der einfachen Burg, wo lange nur die Wachleute gelebt hatten, etwas wohnlicher werden. Während des langen Thronkriegs war daran nicht zu denken gewesen. Rund um die Burg hatte man einen Kräuter- und Blumengarten angelegt, die Böden waren ausgebessert worden, die Fenster etwas abgedichtet, und Marguerite stickte gerade an Decken für die einfach zusammengezimmerten Tische. Ganz nebenbei übte sie mit ihrem Bräutigam Französisch.

Überfall auf die Boten des Abtes

Auf einmal stürzte Bärlauch, der Jungkoch auf der Löwenburg, in den Raum und rief Brexger eilig hinaus. Vor dem Burgtor saß Siefnir. Bärlauch und der Drache wirkten sehr aufgeregt.“Siefnir und ich waren im Wald, Kräuter sammeln“, begann Bärlauch, „auf einmal donnerte es gewaltig, doch es war Hufgetrappel. Eine Gruppe Ritter fegte durch den Wald ..“ „Bärlauch konnte gerade noch zu Seite springen“, ergänzte Siefnir, „so rücksichtslos waren sie. ‚Im Namen von König Otto‘, haben sie gebrüllt, und ein Banner mit den Leoparden hatten sie dabei. Doch es schien mir so falsch .. wir kennen Ottos Leoparden! Die auf diesem Wappen sahen ihnen nicht ähnlich. Sie schienen hinter ein paar Männern her zu sein.“

Brexgers Miene verdüsterte sich. „Ich habe ein ganz ungutes Gefühl“, sagte er. Vor kurzem waren Boten mit einem Brief des Heisterbacher Abtes Richtung Thüringen aufgebrochen, eine nicht ungefährliche Mission. „Ich fürchte, diese Männer waren die Boten des Abtes, und man hat sie überfallen“. Er rief ein paar seiner Wachleute und zog mit ihnen los. Sie ritten den Weg entlang, den die Boten genommen hatten. Nach ein paar Kilometern sahen sie an einer Stelle umgeknickte Büsche und jede Menge Spuren von Hufen, Stiefeln und anderen Spuren. „Wartet“, sagte Brexger, „hier kann es gewesen sein.“

Der Brief ist fort

Es raschelte im Buschwerk, dann stolperten ihnen die Boten entgegen – zerrupft, ohne ihre Reittiere, mit blauen Flecken und einer hatte eine blutenden Nase, doch sie lebten. Brexger atmete auf. „Gott sei dank, Ihr seid es,“ sagte einer der Boten zerknirscht, „man hat uns überfallen und den Brief des Abtes geraubt.“ Brexgers Miene war düster. „Sie wollen verhindern, dass die Hochzeit unseres Grafen mit Mechthild von Landsberg zustande kommt, und dass es hier endlich Frieden gibt“, sagte er, „und das Ganze wollen sie König Otto in die Schuhe schieben. Habt Ihr sie erkannt?“ Die Boten schüttelten den Kopf. Alle Täter hatten Helme getragen und sie nicht einen Moment abgenommen. Brexger hatte es befürchtet. „Kommt mit“, sagte er, „wir bringen Euch sicher nach Heisterbach, und dann fällt uns schon was ein.“

Drachengesang

Trotz aller nach außen gerichteten Zuversicht war Brexger ratlos. Wer war dieser Feind, der dem Grafen so sehr schaden wollte? Während des Thronkrieges hatte sich der Graf Feinde gemacht. Aber wer von ihnen war so weit gegangen?

Zurück auf der Löwenburg grübelte er mit seinen Getreuen, und kam doch nicht weiter. Siefnir hockte auf einer Fensterbank. „Jetzt muss Siefnir helfen“, sagte Marguerite. Alle schauten sie überrascht an, am meisten Siefnir selbst. Marguerite lächelte. „Es heißt, Drachen hüten den Anfang und das Ende der Zeit“ sagte sie ihm, „und mit Eurem Gesang könnt Ihr Dinge zum Vorschein bringen, die geschehen sind, ohne dass jemand etwas bemerkt hat.“ Dann holte sie Laute. Brexger schaute die beiden an. Das war schon ein seltsames Paar – seine bildschöne Braut und sein bester Freund, der kleine Erddrache!

Vor lauter Aufregung war Siefnir puterrot geworden war. Er gab sich ans Singen, doch es kam nur ein Brummen hervor. Wenige Augenblicke später spürte Brexger, wie die Luft vibrierte. Auf einmal wurde er von einer seltsamen Aufregung erfasst. Seine Gedanken wirbelten durcheinander, Bildfetzen und Eindrücke schossen ihm durch den Kopf, die er nur am Rande mitbekommen hatte. Ottos Hoftag in Würzburg .. und dieser hasserfüllte Ausdruck, der für einen Moment auf dem Gesicht des Grafen Hohnfried erschienen war – so kurz, dass man an eine Täuschung hätte glauben mögen. „Es muss Hohnfried gewesen sein“, stieß er hervor, „das erklärt alles. Er hasst unseren Grafen und würde alles unternehmen, ihm zu schaden. Morgen reiten wir los und holen uns den Brief des Abtes zurück“.

Burg Hohnfried

Am nächten Tag ritten Brexger und seinen Wachleute auf dem Burghof der Burg Hohnfried. Marguerite hatte darauf bestanden, sie zu begleiten. Auf dem Burghof sahen sie Standarten mit dem Wappen Ottos und Reittiere, die wohl den Boten gehörten. „Dieser verdammte Kerl!“ stieß Brexger hervor. Dann brüllte er: „Hohnfried! Komm‘ raus!“ Minuten später trat Graf Hohnfried in den Burghof, hinter ihm seine Leute. Er genoss seinen Triumpf über Brexger und den Grafen von Sayn; beide hasste er aus tiefster Seele. „Ich habe den Brief im Auftrag unseres Königs Otto an mich genommen“, höhnte er, „offenbar traut er Euch und Eurem Grafen nicht mehr. Wer weiß, was wirklich in dem Brief steht. Doch schaut selbst, sogar sein Wappen ließ er uns bringen.“

Kein Leugnen mehr

Marguerite trat vor. „Ich bin am Hof Eleonores von Aquitaniens im Poitou aufgewachsen“, sagte sie eisig, „dort habe ich die Stickkunst erlernt. Ich war am Hof Ottos und habe an seinem Wappen mitgestickt. Das hier ist niemals echt, das ist eine billige Nachahmung!“ „Ihr lügt!“, schrie Hohnfried nun, „wo habt Ihr diese Schlampe ..“ Weiter kam er nicht. Brexger stürmte auf ihn los und streckte ihn mit einem kräftigen Fausthieb nieder. „Ich hasse Euch“, schrie Hohnfried, „ich hasse den Grafen von Sayn!“ „Dann leugnet Ihr es also nicht mehr“, sagte Brexger kühl, „Ihr wolltet die Hochzeit verhindern, damit es hier nie Frieden gibt, und das auch noch König Otto in die Schuhe schieben! Gebt mir den Brief!“

Brexger und seine Leute stürmten auf Hohnfried zu, schüttelten und rüttelten ihn. Die anderen stürmten in die Burg, bereit alles auf den Kopf zu stellen. „Lasst ab“, sagte Hohnfried schließlich zerknirscht, „ich habe den Brief nicht mehr, ich habe ihn verbrannt“. „Steht auf“, sagte Brexger, „Ihr habt die Männer des Abtes überfallen, wir bringen Euch zu ihm, er soll entscheiden.“ Entschlossen packten Brexgers Leute Hohnfried auf ein Pferd. Andere hielten dessen doch nun eingeschüchterte Leute in Schach. Noch einmal wandte Brexger sich Hohnfried zu. „Ja, der Abt von Heisterbach soll entscheiden, was mit Euch geschieht. Auch wenn ich Euch gerne noch eine Tracht Prügel verpassen würde. Wir wollen Anstand bewahren.“

Auf dem Heimweg

Endlich waren Marguerite und Brexger auf den Heimweg zur Löwenburg. Sie hatten Hohnfried abgeliefert, der war erst einmal sicher verwahrt. Die Boten sollten sich noch etwas ausruhen und dann mit einem neuen Brief nach Thüringen aufbrechen.

„Diesmal habe ich ein gutes Gefühl“, sagte Marguerite. „Ich auch“, sagte Brexger, „es wird wohl noch etwas dauern, aber letztendlich werden Graf Heinrich und Mechthild heiraten, und dann können wir endlich die Fehde begraben und in Frieden leben.“ Marguerite lächelte glücklich. „Ich freue mich sehr auf unser gemeinsames Leben“, sagte sie, „schau, wir sind bald da, und da kommt uns schon Siefnir entgegen!“ Beide begrüßten den kleinen Erddrachen herzlich. Marguerite beugte sich zu ihm hinab. „Und bei unserer Hochzeit musst Du, mein Freund, dabei sein!“

Zum Weiterlesen
Marguerite von der Löwenburg begegnet uns in den anderen Geschichten in diesem Kapitel wieder.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*