Ritter Mauzibauz

Winter auf Burg Rosenau
Winter auf Burg Rosenau

Diese Geschichte vom sprechenden Kater Ritter Mauzibauz spielt um 1200 auf der Burg Rosenau im Siebengebirge. Es war eine schwere Zeit, denn in Deutschland kämpften zwei Könige um die Krone.

Auch im Siebengebirge stritten geistliche und weltliche Fürsten um Macht und Geld. Es verwundert nicht, dass unter diesen Bedingungen das Recht des Stärkeren galt.

„Und bitte gib uns unser tägliches Brot“, bat eine dünne Stimme. Danach war es still in der Kapelle auf der Burg Rosenau. Stumm beteten Rosamund, die Burgherrin, und ihr kleiner Sohn Philipp für die Menschen und Tiere, die auf ihrer Burg Schutz gesucht hatten. Plötzlich drang von außen das Geschrei eines kleinen Kindes in die Kapelle. Rosamund und Philipp hasteten hinaus .. da lag ein Säugling, eingewickelt in grobe Tücher, auf dem Boden.

Burgherrin Rosamund

Rosamund nahm das Kind auf den Arm und bat Philipp, etwas Milch zu holen. „Ist schon gut, mein Kleiner“, murmelte sie und dachte: „noch ein Baby, das vor der Kapelle abgelegt wurde. Wir haben schon so viele Leute hier und ich weiß nicht, wie wir sie alle versorgen sollen.“ Dabei war es auch so schon eng genug.

Die Rosenau war nur eine kleine, hastig errichtete Burg, umgeben von dichtem Wald. Der Wind pfiff durch die Ritzen in den Mauern, es wurde kaum warm und bei jedem Sturm musste man um das Dach fürchten. Und doch bot sie Schutz für Mensch und Tier, so beengt es auch gewesen sein mag. Es war eine harte Zeit für meisten Menschen, und fernab von den Höfen der Könige und des Hochadels herrschte vielerorts bittere Armut.

Der Graf von der Rosenau hatte sich eines Tages aus dem Staub gemacht. Nicht, dass er in Diensten des Kaisers in den Krieg gezogen wäre – nein, er war einfach auf und davon. Schade war es nicht um ihn, denn er taugte nicht viel. Doch er hatte einen Haufen Schulden hinterlassen und nun wartete Raffgar, ihr Lehnsherr, nur darauf, dass die Rosenau ihre Abgaben nicht mehr bezahlen konnte, damit er die Burg zurückfordern konnte.

Kater Mauzibauz

Mauzibauz war Burgkater auf der Rosenau und fühlte sich nun für alles verantwortlich. Zwar gab keinen Ritter auf der Rosenau, doch er würde die ritterlichen Ideale hochhalten. Jetzt versuchte er, Ritter Mauzibauz, seine Menschen aufzuheitern. „Habt Mut“, schnurrte er, „solange wir zusammen sind, kommen wir schon irgendwie zurecht“.

Falsche Anschuldigungen

Doch es sollte noch schlimmer kommen. Wenige Tage später ritt ihr Lehnsherr Raffgar mit seinen Schergen auf den Burghof. „Ihr habt einige Säcke Getreide unterschlagen“, brüllte er, „und nun gehört die Burg mir.“ „Niemals“, schrie Philipp und stürzte sich auf den Lehnsherrn. Mauzibauz konnte ihn gerade noch zurückhalten. Nun meldete sich Rosamund zu Wort: „Auch ich glaube kein Wort von dem, was Ihr sagt. Wir werden euch beweisen, dass wir geliefert haben, was Euch zusteht.“ „Ha“, höhnte Raffgar, „die Advokaten des Königs selbst haben den Fall geprüft und so entschieden. Da habt Ihr alle Dokumente!“ Mit diesen Worten warf er einen Stapel Pergamente auf den Boden und ritt davon. „Ihr habt zwei Tage, danach hole ich mir die Burg“, schrie er noch.

Rosamund hob die Papiere auf, sah sie an und erbleichte. Sie waren in Lateinisch geschrieben. Zwar konnte sie Lesen und Schreiben, was für Menschen ihrer Zeit selten war, aber Latein konnte sie nicht. Mauzibauz strich um ihre Knie und schnurrte sanft: „Ich wüßte da jemanden, der uns helfen kann – Cervisius. Ich weiß, zur Zeit ist er nicht in bester Verfassung, doch hat er eine hervorragende Bildung, und bis vor kurzem war er ein wichtiger Mann im Reich.“ „Cervisius“, sagte Rosamund nachdenklich, „da hast Du Recht. Doch lebt er nicht in der verfallenen Kapelle oben auf dem Petersberg? Es ist ein strenger Winter, die Hügel und Täler sind tief verschneit, die Wege kaum passierbar und nirgends brennt ein Licht. Wie soll er so schnell herkommen?“

„Sicher, Herrin“, sagte Mauzibauz, „einfach wird es nicht. Aber zum Glück weiß ich Rat“. Mauzibauz lief zu Ruotger, dem Esel. „Mein alter Freund“, sagte er, „ich weiß, auch Du bist froh, dass Du ein warmes Plätzchen hast. Aber ich brauche Deine Hilfe“. Dann nahm er Philipp an der Hand und sagte: „Komm, wir laufen zu den Erdrachen“.

Bei den Erddrachen

Die Erddrachen sind kleine, knubbelige Wesen, die durch hohle Baumstämme und die Höhlen im Siebengebirge huschen. Heute sieht man sie seltener. Philipp und Mauzibauz hingegen waren gut mit ihnen befreundet. In diesem strengen Winter hatten sich auch die Erddrachen ein sicheres Plätzchen in den Höhlen unter der Erde gesucht, und so mussten Mauzibauz und Philipp eine ganze Weile warten. „Nun habt euch nicht so“, rief Philipp, „kommt schon, Ihr werdet gebraucht. Wir müssen zur Kapelle auf den Petersberg.“ Darauf kamen die Erddrachen einer nach dem anderen herbei.

Kurz darauf kämpften sich Philipp, Mauzibauz und Ruotger durch den tief verschneiten Wald. Die Erddrachen liefen voran und spien nach Leibeskräften Feuer, und wo immer sie dabei hintrafen, schmolz der Schnee, und so entstand ein sicherer Weg für ihre drei Freunde. Und wenn ihnen dabei Schneeflocken auf die Nase fielen, niesten sie so kräftig, dass die Schneeflocken durch die Luft gewirbelt wurden, Feuer fingen und als leuchtende Schneesterne in der Luft hängen blieben. Auf einmal waren überall Lichter im Wald!

Cervisius

Endlich waren Mauzibauz, Ruotger und die Erddrachen an der verfallenen Kapelle auf dem Petersberg angekommen. Jetzt lebte hier ein Mönch, den sie alle nur als Cervisius kannten. Er trank nämlich sehr viel. Einst war er ein wichtiger Mann im Reich gewesen, aber dann war er so frustriert von der Selbstsucht der meisten hohen weltlichen und geistlichen Beamten, dass er sich völlig zurückgezogen hatte. Mauzibauz klopfte an, und als er nichts hörte, trat er ein. Cervisius lag auf einem Strohlager, einige leere Krüge standen um ihn herum. „Cervisius, wach auf“, schnurrte Mauzibauz leise. „Lass‘ mich schlafen“ brabbelte der, „ich muss verrückt sein, dass ich eine Katze reden höre“. Mauzibauz schüttelte nachsichtig den Kopf. „Nein“, sagte er, „Du bist nicht verrückt. Im allgemeinen wissen wir Katzen uns recht gut auszudrücken. Bitte, Du musst uns helfen.“

Mühsam stiegt Cervisius auf Ruotgers Rücken, und es ging zurück auf die Rosenau. Noch immer leuchteten die Schneesterne am Weg, und so fanden sie sicher heim. Auch wenn Ruotger sich mühte, den Transport für Cervisius so bequem wie möglich zu machen, so war der doch ganz zerschlagen, setzte sich ans Feuer und schlief kurz darauf ein. „Rosamund“, murmelte er noch, „bitte verzeiht meinen unmöglichen Auftritt. Ich verspreche euch, morgen früh bin ich wieder ich selbst. Natürlich helfe ich euch.“

Das Hauptbuch

Am nächsten Morgen beschäftigte sich Cervisius eingehend mit den Pergamenten des Lehnsherrn und den Geschäftsbüchern der Burg. Er las und las und verglich lange Kolonnen lateinisch geschriebener Zahlen. Auf einmal lief er hinaus auf den Hof und hielt ein Papier gegen die Sonne. „Ja, ja, das ist es ..“ jubelte er, „ich wusste, dass Raffgars Behauptung niemals stimmt! Seht nur, an dieser Stelle sieht man es ganz deutlich: hier wurde eine römische Ziffer weggekratzt, und deshalb sieht es so aus, als hättet Ihr nicht genügend Säcke Getreide geliefert. Eine Sauerei ist das, eine wirkliche Sauerei.“

Tags darauf standen wie angekündigt Raffgar und seine Männer auf dem Burghof. Polternd stürmten sie ins Haus. „Na, habt Ihr gepackt?“ höhnten sie. Rosamund, Cervisius, Philipp und Mauzibauz standen fest zusammen und sahen sie eisig an. Cervisius trug einen großen Stapel Geschäftsbücher unter dem Arm. Nun trat er vor und schlug das Hauptbuch auf. „Das ist Cervisius, jetzt erkenne ich ihn“, raunte einer der Schergen Raffgar zu, „ich habe ihn beim letzten Reichstag mit dem König reden sehen“. Nun, da er sich keinen hilflosen Menschen entgegen sah, klang Raffgar etwas weniger überheblich: „Ich habe eine Forderung an Euch und wenn ..“ „Nichts habt Ihr“, donnerte Cervisius, „dieses Dokument ist gefälscht! Schimpf und Schande über Euch, Raubritter seid Ihr!“

Nun meldete sich Rosamund zu Wort: „Gleichwohl – wenn ihr darauf besteht, dass einige Säcke Getreide fehlen, so sollt Ihr sie haben“. In diesem Moment fuhr Philipp auf den Hof, auf einem Wagen, der von zwei alten Ochsen gezogen wurde. Auf ihm lagen einige Säcke Getreide. „Nehmt sie, und kommt so bald nicht wieder.“

Einige Säcke Getreide

Raffgar und seine Männer zogen los. Auf einmal gab es einen riesigen Knall – die Säcke platzen, Kastanien und Eicheln wirbelten durch die Luft und es stank erbärmlich. Raffgar und seine Mannen wußten gar nicht, wie ihnen geschah, in ihrem Entsetzen ließen sie den Wagen einfach stehen und verschwanden im Wald. Philipp jauchzte vor Freude. Zuvor hatte er nämlich sämtlichen Pferde- und Ochsenmist, den er hatte finden können, gemischt mit Eicheln und Kastanien in die Säcke gefüllt und eine dünnen Schicht Getreide darüber getan. Da es bitterkalt war, roch man es nicht. Doch kaum hatten sich der Wagen in Bewegung gesetzt, da kamen die Erddrachen herbei, spien Feuer auf die Säcke und ließen sie so hochgehen.

Jetzt hatten sie so viel Spaß, dass sie übermütig mit Philipp und Mauzibauz noch eine Runde um die Burg tobten. Sie bewarfen sich mit Schneebällen und schubsten sich gegenseitig in den Schnee. Wo immer die kleinen Erddrachen in den Schnee fielen, „färbten sie ab“. Erddrachen haben viele Farben .. wo der grüne Drache in den Schnee fiel, wuchs im tiefsten Winter sattes Gras, der dunkelrote zauberte einen Brombeerstrauch hervor und der gelbe einen Zitronenbaum! Kurz darauf waren die Ochsen wieder zurück und wurden herzlich umarmt. „Da haben wir euch was abverlangt“, meinte Rosamund, „aber jetzt wird alles gut“.

Ysabeau

Nun endlich fand Mauzibauz Zeit, an sich zu denken. Schnell lief er hinab zum Drachenfels und kletterte auf das Fensterbrett seiner Dame, er war schließlich ein Ritter und Minnesänger. Seine Dame hieß Ysabeau und war Burgkatze auf dem Drachenfels. Sie hatte auch ihre Sorgen, denn ihr Graf vom Drachenfels ließ kaum noch jemanden an sich heran. Doch leider war Mauzibauz nicht der beste Interpret seiner Lieder, und so kam es, dass er mit seinem Gesang auch den Grafen ans Fenster lockte. „Was soll denn das, hört endlich auf!“ brüllte er, aber dann musste er doch schmunzeln, als er die beiden ertappten Katzen sah, wie sie verlegen und mit Schamesröte im Gesicht zu Boden sahen. „Ach, entschuldigt“, bat er, „es ist fast Weihnachten, da bist Du trotz der widrigen Bedingungen hergekommen und ich bin so ein schlechter Gastgeber. Komm‘ rein ans Feuer und erzähle mir, wie es Euch dort oben auf der Rosenau ergeht.“

Weihnachtsfeier auf Burg Rosenau

Der Weihnachtstag auf der Rosenau. So gut es ging, hatte man die Burg abgedichtet und geschmückt. Noch immer leuchteten die Schneesterne der Erddrachen. Viel war nicht da, und doch waren es alle Köstlichkeiten dieser Welt. Die Schafe hatten sich an dem grünen Gras satt gefressen und blökten vergnügt, es gab frische Milch und frischen Käse, die Brombeeren schmeckten köstlich und dank der frischen Zitronen war niemand krank geworden.

Auf dem Burghof hatten sich alle versammelt: Rosamund, Philipp, Cervisius, die Ochsen, Mauzibauz, Ruotger und alle ihre Schutzbefohlenen. Auf einmal sagte Cervisius: „Wisst Ihr, es ist fast so wie in der Heiligen Nacht damals in Bethlehem. Lassen wir froh sein, dass wir überhaupt ein Dach über dem Kopf haben.“ Vielleicht würde man es bald aufgeben müssen, aber für dieses Weihnachtsfest würde es noch einmal gehen. „Nicht nur ein Dach über den Kopf, Cervisius“, antwortete Rosamund, „ein Zuhause. Seht all die kleinen und großen Menschen hier, für sie seid Ihr ein Held. Bitte bleibt bei uns.“

Auf einmal klopfte es an der Tür. Der Graf vom Drachenfels und Ysabeau waren gekommen. „Dank der Erddrachen und ihrer Schneesterne haben wir den Weg schnell gefunden“, sagte Graf, „Ein frohes Weihnachtsfest, und bitte vergebt, dass ich so lange ein so schlechter Nachbar war“. Und mit einem Blick auf Ysabeau und Mauzibauz fügte er hinzu: „Aber das wird sich ändern, dafür werden diese beiden hier schon sorgen. Ihr alle seid mir immer herzlich willkommen.“

Ein neues Märchen aus eigener Feder.
Der Turm stammt aus einem Bild der Manessischen Liederhandschrift.

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