Europa im Umbruch

Am Rhein steht eine Übermacht gegen Graf Heinrich III. von Sayn
Am Rhein steht eine Übermacht gegen Graf Heinrich III. von Sayn

Im Beitrag „Europa im Umbruch“ geht es um die Bettelorden, die Ketzer-Kreuzzüge und den erneuten Krieg um den Thron zwischen Otto IV. und Friedrich II. Da ging es dann längst nicht mehr nur um das Reich, es war ein europäischer Konflikt.

Lösen wir uns für eine Weile mal von den Intrigen und Kämpfen im Reich und schauen auf das Leben der Menschen.

Die Bettelorden

Die Stauferzeit war von großen Gegensätzen geprägt: höfischer Glanz und reiche Patrizier in den aufstrebenden Städten auf der einen, bittere Armut und Seuchen auf der anderen Seite. Es verwundert nicht, dass oft genug das Recht des Stärkeren galt.

So mächtig Papst Innozenz III. auch sein mochte – viele Menschen zweifelten an seiner Kirche. Da war die Selbstsucht und die Machtgier der hohen Geistlichkeit, die im krassen Gegensatz zum Elend vieler Menschen stand. Seelsorger und Priester lebten in Klöstern fernab der Städte und Gemeinden. Die wenigen Weltgeistlichen, die „Leutepriester“, waren oft genug selbst bitterer Armut entronnen.

In jenen Jahren entstanden die Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner. Sie gingen auf die Straße zu den Armen und lebten von dem, was man ihnen spendete. Ihr Armutsideal bedeutete ein radikal anderes Leben als das der hohen Geistlichkeit. Doch die Bettelorden stellten nie die Autorität des Papstes in Frage. Papst Innozenz III. erkannte, dass sie die Kirche auch armen Menschen wieder näherbringen konnten, deshalb erkannte ihre Regeln an. Sie konnten der Kirche neue Glaubwürdigkeit schenken und hoffentlich viele Menschen davon abhalten, Ketzer zu werden.

Krieg gegen die Katharer

Als „Ketzer“ wurden Menschen bezeichnet, die die Dogmen der Amtskirche ablehnten. In Okzitanien, dem romanisch geprägten Süden Frankreichs, war die alternative Kirche der Katharer entstanden. Abgeleitet von einem ihrer Bischofssitze in Albi sagte man auch Albigenser. Sie hatte sich von Rom losgesagt. Hinzu kam, dass der okzitanische Adel sie duldete , denn an den Höfen von Carcasonne und Toulouse war man tolerant und gesprächsbereit. Zudem war der okzitanische Adel reich und, obwohl unter Lehnsherrschaft des französischen Königs, de facto unabhängig.

Nach dem Mord an einem päpstlichen Legaten 1208 hatte Papst Innozenz zum Kreuzzug gegen die Katharer und den okzitanischen Adel aufgerufen. Wer Ketzer duldete, galt selbst als Ketzer, und ein verurteilter Ketzer war zugleich enteignet. „Nehmt ihre Ländereien ..“ forderte Papst Innozenz III. die Kreuzfahrer auf. Seither tobte ein blutiger Krieg. Die Kreuzheere setzten den Süden Frankreichs in Flammen, ganze Städte wurden in Schutt und Asche gelegt, Männer, Frauen und Kinder niedergemacht. Bei Caesarius von Heisterbach findet sich ein Textstelle, die den fürchterlichen Befehl des päpstlichen Legaten Arnaud Amaury zum Massaker von Beziers 1209 wiedergibt. „Tötet sie. Der Herr wird die Seinen schon erkennen.“ (Dialogus miraculorum, distinctio V, capitulum XXI.

1211/12 konzentrierten sich die Kreuzritter auf den Kampf gegen Graf Raimund VI. von Toulouse. Wieder rief Innozenz III., und zahlreiche Ritter  aus Frankreich, Deutschland und Österreich folgten seinem Ruf. Anfang bis Mitte Mai 1212 kämpften auch Graf Adolf III. von Berg und sein Bruder Engelbert, der spätere Erzbischof, gegen die Katharer. Im Sinne Kaiser Ottos war es nicht.

Zweifel

Nicht nur die „Ketzer“ zweifelten. Der Dritte Kreuzzug hatte es nicht geschafft, Jerusalem zurückzuerobern und der Christenheit das wahre Kreuz wiederzugeben. Die Ritter des vierten Kreuzzugs hatten um der Gier Venedigs wegen Byzanz blutig erobert und geplündert. In Frankreich war die Unterwerfung des okzitanischen Adels und das Aneignen seiner Gebiete längst das eigentliche Ziel des Kreuzzugs.

Kinderkreuzzug

Aber vielleicht wollte Gott das nicht. Vielleicht konnten arme, unschuldige und unbewaffnete Kinder das schaffen, woran die reichen, überheblichen und mächtige Barone gescheitert waren. Im Frühsommer 1212 brachen beinahe gleichzeitig in Frankreich und in Köln zehntausende Halbwüchsige auf, mit dem Ziel, das Heilige Land von den Sarazenen zu befreien. Heute sagen wir „Kinderkreuzzüge“, wobei man das lateinische Wort „puer“ nicht unbedingt mit Kind oder Knabe übersetzen muss. Was damals wirklich passierte, dazu geben die wenigen Quellen keine ausreichende Auskunft.

Köln mit dem Schrein der Heiligen Drei Könige war Wallfahrtsort. Hier predigte ein Junge namens Nikolaus. Ein Engel war ihm erschienen und hatte ihm den Auftrag gegeben, das Heilige Land von den Sarazenen zu befreien. Gott würde den Zug unterstützen und das Meer teilen, versicherte er, so dass die Kinder wie einst die Israeliten trockenen Fußes in das Heilige Land gelangen würden. Schnell sammelten sich viele Menschen um ihn, die Kölner Königschronik berichtet, dass mehrere tausend Kindern gegen den Willen ihre Familie und Freunde das Kreuz nahmen.

Nach einem unendlich mühsamen Weg durch Deutschland und dann über die Alpen kamen die Kinder endlich in Genua in Italien an; viele waren unterwegs umgekommen. Doch es gab kein Wunder, das Meer teilte sich nicht vor ihnen. Der Zug löste sich allmählich auf, die Spur verlor sich. Die französischen Kinder hatten es womöglich nicht einmal bis ans Mittelmeer geschafft. Viele starben, einige sollen in die Sklaverei verkauft worden sein, andere fanden in Italien ein neues Zuhause. Das kann man nur hoffen. Die wenigsten haben ihre Heimat wiedergesehen.

Bouvines

Zurück ins Heilige Römische Reich, möchte man sagen, zum Thronstreit zwischen Otto IV. und Friedrich II. Doch es war längst nicht mehr ein reichsinterner Streit, sondern einer von europäischen Ausmaßen. Die Staufer waren mit dem französischen König Philipp II. verbündet. Mit seinem Silber hatte Friedrich zahlreiche Fürsten hinter sich bringen können. Otto hatte schon Jahre zuvor an Richard Löwenherz‘ Seite in Frankreich gegen Philipp II. gekämpft.

Inzwischen hatte Johann Ohneland fast den gesamten Festlandbesitz der Plantagenets an Philipp verloren; 1213 konnte er eine französische Invasion gerade noch abwehren. In England selbst gärte es gegen ihn. In seiner desolaten Lage suchte er den Schulterschluss mit seinem Neffen Otto. Nicht, dass sie sich persönlich nahe gestanden hätten, aber der immer mächtigere französische König bedrohte sie beide. Auch Otto stand mit dem Rücken zur Wand, denn er war exkommuniziert und fast überall in die Defensive geraten.

Eine Allianz gegen Philipp II. von Frankreich kam zustande. Johann sollte von Süden angreifen, Otto und der Graf von Flandern von Norden. Doch der Plan scheiterte. Am 27. Juli 1214, bei Bouvines im Nordosten Frankreichs, traf das kaiserliche Heer auf die Streitmacht Philipps II. – und erlitt eine verheerende Niederlage. Otto selbst entkam mit knapper Not Tod oder Gefangenschaft. Der französische König Philipp II. August schickte den Reichsadler – mit zerbrochenen Schwingen – an Friedrich.

Otto selbst ließ die echten Reichsinsignien kurz vor seinem Tod 1218 auf der Harzburg an Friedrich übersenden. England verlor fast alle Besitzungen auf dem Festland, König Johann musste 1215 die Magna Charta unterschreiben.

Damals im Siebengebirge

Im Reich war der Weg nun frei für Friedrich, sein Heer zog den Rhein hinab Richtung Köln, rückte immer näher. Man wird sie von der Löwenburg aus gesehen haben.

Eine neue Situation

Für die Grafen von Sayn, die bis zuletzt auf Ottos Seite gestanden hatten, bedeutete das eine große Gefahr.  Zudem war mit Adolf von Altena der alte Widersacher der Familie Kölner Erzbischof, und auch Graf Adolf III. von Berg hatte sich Friedrich angeschlossen. Die Familie hatte einen hohen Preis bezahlt, Graf Heinrich III. hatte seinen Vater, seinen Onkel Eberhard und seinen Onkel Bruno, den Erzbischof, in den Kriegsjahren verloren.

Im Mai 1215 beugte sich Graf Heinrich III. den Fakten und suchte auf Friedrichs Hoftag in Andernach den Ausgleich. Bei Friedrichs Aachener Krönung am 25. Juli 1215 war auch er unten den rheinischen Granden, alles andere hätte wohl auch unabsehbare Folgen gehabt. Als Friedrich noch in Aachen zum Kreuzzug aufrief, nahm auch Graf Heinrich das Kreuz.

Ehe mit Mechthild

Um 1215 heiratete er, vermittelt durch die Abtei Heisterbach und Papst Innozenz III., Mechthild von Landsberg, die Tochter Dietrichs von Landsberg und der Landgräfin Jutta von Thüringen. Mechthild brachte den umfangreichen Besitz der Thüringer Landgrafen im Westerwald in die Ehe ein, zusammen mit der alten Grafschaft Sayn entstand ein großer Herrschaftsbereich. Zudem war Mechthild mütterlicherseits eine Enkelin des amtierenden Thüringer Landgrafen, so brachte die Ehe Graf Heinrich den Aufstieg in den Hochadel.

Stauferzeit – Europa im Umbruch | Zum Weiterlesen
Tobias Weller, In prima fronte belli, Philipp II. und Otto IV. auf dem Schlachtfeld von Bouvines. Ein Beitrag zu: Der König als Krieger. Zum Verhältnis von Königtum und Krieg im Mittelalter. Beiträge der Tagung des Zentrums für Mittelalterstudien der Otto-Friedrich-Universität Bamberg (13. – 15. März 2013). Eine neutrale Annäherung an die Schlacht von Bouvines.

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