Minnesang

Aus der Manessischen Liederhandschrift
Aus der Manessischen Liederhandschrift

Der Minnesang gehört zum Mittelalter, so wie die Ritter, die Burgen und das Mittelhochdeutsche. Es geht dabei um Liebe, die freilich unerfüllt bleibt. Der Minnesänger besingt eine meist hochstehende Dame, die er bewundert und verehrt – aber nicht begehrt. Oder doch?

Schaut man näher hin, entdeckt man verschiedene Facetten des Minnesangs.

„Ich grüeze mit gesange die süezen, die ich vermiden niht wil noch enmac.
Deich si réhte von munde mohte grüezen, ach leides, des ist manic tac.“
„Ich grüße mit Gesang die Süße, die ich nicht meiden will noch mag
dass ich von Mund zu Mund sie grüße, darüber hin ging mancher Tag“

aus einem Lied des Stauferkaisers Heinrich VI. (1164-1197)

Codex Manesse

In der berühmten „Manessischen Liederhandschrift“, auch Codex Manesse oder Große Heidelberger Liederhandschrift genannt, sind uns 140 Lieder, Namen und Wappen von Minnesängern überliefert. Sie entstand um 1300 in Zürich auf Initiative von Rüdiger Manesse und seinem Sohn Johannes. Ohne ihr Engagement wäre uns ein Großteil der Minnelieder verloren gegangen. Auch die Weingartner Liederhandschrift ist sehr bekannt.

In vielen Liedern schwingt tiefe Zuneigung mit, und neben den mittelhochdeutschen Texten bezaubern die Illustrationen – auch (oder gerade?) diejenigen, die etwas gewagter sind. Da sieht man verliebte Menschen, die sich herzen und umarmen, ja sogar einer Dame, die ihren Geliebten in einem Korb heraufzieht. Alle Bilder auf dieser Seite stammen aus dem Codex Manesse.

Erzählen wir von Anfang an ..

Um 1100 begann in Frankreich die große Zeit der Troubadoure in der Provence und, etwas später, der Trouvères in Nordfrankreich. Am Hof Wilhelms IX. von Aquitanien wurde gedichtet und gesungen; der Herzog selbst galt als erster Troubadour. Seine Enkeltochter war die legendäre und vielbesungene Eleonore von Aquitanien, die Mutter des englischen Königs Richard I. Löwenherz und Großmutter Kaiser Ottos IV. Von Frankreich gelangte der provenzalische Minnesang nach Deutschland. Ein früher Mittler dabei war Heinrich von Veldeke aus Limburg, der auf Mittelhochdeutsch und in seinem heimatlichen Mittelniederländisch sang. Er ist auch der Autor des „Eneit“, des ersten deutschprachigen höfischen Romans.

Donauländischer Minnesang (1150-1170)

Doch auch aus dem deutschsprachigen Raum ist uns frühes Liebeslyrik überliefert, der donauländische Minnesang. Um 1150 sang „der vom Kürenberg“ sein Falkenlied „Ich zoch mir einen falken“, und Dietmar von Aist sang ein Lied über den Abschied zweier Liebender bei Tagesanbruch. Die frühen donauländischen Lieder sind in schlichter, natürlich schöner Sprache gehalten. In ihnen geht es vor allem um die Liebenden, um Trennung und Sehnsucht. Diese Lieder sind gar nicht so verschieden von den Balladen und love songs unserer Tage. Auch wenn die Troubadours in der Provence schon zu ihrer Zeit sangen, gab es noch keinen kulturellen Austausch und Einfluss auf den donauländischen Minnesang.

Hohe Minne

Um 1170/1180, zur Zeit Kaiser Friedrichs I. Barbarossa (1152-1190), entstand im deutschsprachigen Raum dann die Hohe Minne, die französische Vorbilder aufnahm. Troubadoure aus Südfrankreich und Trouvères aus Nordfrankreich zogen auch durch die deutschen Lande und sangen an Höfen und auf Burgen. Kaiserin Beatrix, eine burgundische Prinzessin, kannte sie aus ihrer Heimat und förderte sie nach Kräften. Beim Hoftag in Mainz 1184 haben sich viele französische und deutsche Sänger getroffen und gegenseitig angeregt.

Die „hohe frouwe“

Das Thema der Hohen Minne war die Liebe zu einer „hohe frouwe“, einer Dame, die – modern ausgedrückt – gesellschaftlich hoch über über dem Minnesänger stand und nie ein Verhältnis mit ihm angefangen hätte. Ihm ging es nicht um die Erfüllung seiner Liebe, sondern er pries die Schönheit und die Tugend seiner Minneherrin, er idealisierte sie geradezu. Dabei war sein einziger Lohn, durch den „Minnedienst“ selbst ein besserer Mensch und Ritter zu werden.

Höfische Zeit

Das passt in die „Höfische Zeit“ (grob zwischen dem Mainzer Hoftag Friedrich I. Barbarossas zu Pfingsten 1184 und dem Hoftag Friedrichs II. in Mainz 1235). Es war eine Blütezeit der Literatur, der Kunst, aber auch des Rittertums, denn zahlreiche Minnesänger waren zugleich Ritter und Kreuzfahrer. Der christliche Ritter musste sich im Kampf auszeichnen, aber genauso durch geziemendes „höfliches“ Verhalten am Hof, und vor allem musste er das Christentum auch leben und die Schwachen schützen. Diesen Ritter finden wir auch in der Hohen Minne wieder.

Friedrich von Hausen

Friedrich von Hausen, ein hoher Ministerialer, der zum Stab Friedrichs I. Barbarossas und seines Sohnes Heinrichs VI. gehörte, war schon durch seine Position ein wichtiger Mann im Reich. Er kam viel umher, traf französische Sänger und konnte viel Neues in den Minnesang einbringen. Sein Stil wird auch als Rheinischen Minnesang bezeichnet.

Weitere „Klassiker“

Bei Reinmar von Hagenau, auch „Reinmar der Alte“ genannt, einem allseits hochgeachteter Minnesänger, ging es vor allem um die vornehme Art, wie der Ritter die – gesellschaftlich gebotene – Zurückweisung und den Verzicht ertrug. Weitere „Klassiker“ der Hohen Minne sind Albrecht von Johannesdorf, Otto von Botenlouben und Heinrich von Morungen.

Niedere Minne – die erfüllte Liebe

Auch der wohl berühmteste Minnesänger, Walther von der Vogelweide, schrieb zunächst Lieder der Hohe Minne, doch schon bei finden wir den Wunsch nach einer erfüllten Liebe, so wie sie in seinem berühmtem Lied „Under der Linden“ besungen ist.

„Wie ich da ruhte, wüsst‘ es einer, behüte Gott, ich schämte mich,
wie mich der Gute herzte – keiner erfahre das, als er und ich,
und ein kleines Vögelein, tandaradei,
das wird wohl verschwiegen sein.“

Walther von der Vogelweide

Walther sang hier in der ihm eigenen, bildhaften Sprache, doch er blieb sehr galant. Der Tannhäuser ging ein ganzes Stück weiter; wenn er seine Angebetete beschrieb, wurde er bisweilen unverhohlen erotisch.

Ulrich von Liechtensteins „Frauendienst“

Ganz anders Ulrich von Liechtensten, der sich weiter voll der Hohen Minne und dem „Frauendienst“ widmete. In seiner bürgerlichen Existenz war er ein einflussreicher steirischer Politiker. Er hatte schon als Knappe seine Minneherrin kennengelernt und war ihr über alle Maßen ergeben. In seinem Roman „Frauendienst“ hat er neben Erzählungen aus seinem jahrelangen Minnedienst über 58 Lieder an seine Herrin aufgezeichnet. Ulrich von Liechtenstein kämpfte auf vielen Turnieren zu Ehren seiner Dame. 1227 veranstaltete er sogar für sie eine ganze Turnierfahrt von Venedig quer durch Österreich bis an die böhmische Grenze; in vielen Orten machte er halt und forderte, verkleidet als Frau Venus, andere Ritter heraus.

Neidhart von Reuenthal

Doch die höfische Zeit ging zu Ende, und auch die Minnesänger fanden neue Themen. Der Sänger Neidhart von Reuenthal parodierte gar den hochhöfischen Minnesang. Bei ihm ging es nicht mehr um eine unerreichbar hohe Dame und einen vollkommenen Ritter, sondern um Bauernmädchen und Bauernburschen in den „dörpern“, und einen Ritter niederen Rangs, der durchaus für unerwünschten Nachwuchs sorgte. Aber war es wirklich nur Amusement für die Zuhörerschaft, von deren Gunst der Berufssänger Neidhart schließlich abhing, oder schwang da auch ein Stück Kritik mit?

Berufssänger

Mit Walther von der Vogelweide, dem Tannhäuser und Neidhart kommen wir zu einem anderen Aspekt des Minnesangs; Sie waren kein hochadeligen, finanziell gesicherter Ritter, sondern Berufssänger, die mit ihren Liedern die adligen Gesellschaft am Hof ihres Fürsten unterhielten. Über 40 Jahre lang hat Walther an zahlreichen Höfen gesungen: am Hof der Babenberger in Wien, am Hof Philipps von Schwaben, Ottos IV. und dann auch vor Kaiser Friedrich II., dem er endlich ein eigenes Lehen verdankte.

Walther und viele anderen Minnesänger verdienten sich damit ihren Lebensunterhalt und waren auf die „milte,“ die Freigebigkeit ihres Fürsten angewiesen, deshalb  sangen sie nur Gutes über ihn – oft ganz im Gegensatz zur übrigen Geschichtsschreibung. Der Tannhäuser hat dieses Dilemma sogar in ein Lied gepackt „Ich muoz klagen“.

Eine Zeit großer Gegensätze

Die Stauferzeit war von großen Gegensätzen geprägt. Auch die höfische Literatur und der höfische Minnesang gaben die gesellschaftliche Realität nicht unbedingt wieder. Die Gesellschaft war streng hierarchisch geordnet und der Platz des Menschen durch seine Geburt festgelegt; ein sozialer Aufstieg schien unmöglich. Zu den Berufssängern gehörte auch Reinmar von Zweter, der um 1245 im Rheinland war, und ab und zu vor dem Grafen Heinrich III. von Sayn gesungen und dessen Freigiebigkeit gepriesen hat. „Wo gibt es einen Burgherrn, der die Gäste so zum empfangen weiß, dass Frau Ehre und auch ihre Kinder aus freien Stücken bei ihm weilen, wie der von Sayn“.

Politische Dichtung

Von Walther von der Vogelweide ist uns politische Dichtung überliefert, die Spruchdichtung. Eines seiner bekanntesten Lieder „Ich saz uf eime steine“ bezieht sich auf den verheerenden Thronstreit zwischen Philipp von Schwaben und Otto IV. von Braunschweig.

Kreuz- oder Palästinalieder

Die Zeit des Minnesangs war auch die Zeit der Kreuzzüge; ein Thema, das die Menschen jener Zeit sehr beschäftigte. Da liegt es da, dass auch die Minnesänger ihre zwiespältigen Gefühle in ihren Liedern ausdrückten – sie folgen der Liebe zu Gott, und doch schmerzt sie die Trennung von ihrer Dame.

Von einigen wissen wir, dass sie selbst das Kreuz nahmen und nach Palästina zogen. So Friedrich von Hausen, der mit Kaiser Friedrich I. Barbarossa auf den III. Kreuzzug zog und wie sein Kaiser 1190 in der heutigen Türkei verstarb. Auch von Otto von Botenlauben ist uns ein Palästina-Lied überliefert, er zog nach Palästina, vermutlich mit dem Kreuzzug Heinrichs VI. 1197, heiratete dort und blieb viele Jahre im Heiligen Land. Auch Walther von der Vogelweide hat ein Palästina-Lied geschrieben. Vermutlich entstand es vor dem Kreuzzug Friedrichs II., der für 1227 geplant war, doch Walther selbst hat ihn nicht mehr erlebt.

Lassen Sie sich zum Abschluss noch einmal einfangen vom Zauber des Minnesangs und des Mittelhochdeutschen.

„Verlüre ich sie, waz hette ich danne?
Da töhte ich zu fröuden noch wibe noch manne“
„Verlöre ich sie, was hätte ich dann?
Nicht taugte ich zur Freude mehr für Frau noch Mann“

Aus „Minne und Krone“, Heinrich VI.

Zum Weiterlesen
Am besten schnuppern Sie selbst einmal’rein. Es gibt eine sehr schöne CD zur Manessischen Liederhandschrift: Codex Manesse, Das Musik-Hörspiel zur Großen Heidelberger Liederhandschrift, von Birge Tetzner und der Capella Antiqua Bambergensis, gesprochen von Christian Brückner u.a.
Oder schauen Sie einmal bei www.minnesang.org vorbei.

Bild- und Quellenachweis
Alle Bilder stammen aus der Public Domain Section der Wikipedia.

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