In seinen letzten Lebensjahre erlebte Heinrich vom Drachenfels, der elfte Burggraf, wie die Reformation die Welt veränderte. Auch wenn das Rheinland überwiegend katholisch blieb, war es eine bewegte Zeit.
Nach dem tödlichen Streit zwischen Heinrich und Claus vom Drachenfels waren viele Jahre vergangen. Erst 1510 wurde Heinrich vom Erzbischof begnadigt und kehrte aus dem Exil zurück. 1525 wurde ihm eine Hälfte der Drachenfels zugestanden und er wieder als Burggraf eingesetzt. Fünf Jahre später, im Mai 1530, verstarb Heinrich.
Reformation
Im Oktober 1517 löste Martin Luther mit seinen 95 Thesen gegen den Ablasshandel eine religiöse Erneuerungsbewegung aus. Luther kritisierte den Verkauf von Ablässen, mit denen die Kirche den Neubau des Petersdoms finanzierte. Luthers Ziel war eine Klärung theologischer Fragen, keine Spaltung des Reiches. Doch die schnelle Verbreitung seiner Thesen durch die Gutenberg-Druckerpresse führte zu einer Herausforderung der Autorität von Papst und Kirche.
1520 wurde Luther vom Papst exkommuniziert. Kaiser Karl V. forderte ihn 1521 auf, seine Thesen zu widerrufen, was Luther verweigerte. Der Kaiser erklärte Luther und seine Anhänger zu Reichsfeinden. Luthers Landesherr brachte ihn auf der Wartburg in Sicherheit, wo er die Bibel ins Deutsche übersetzte.
Religion und Politik
Trotz des Edikts von Worms verbreitete sich die Reformation. Auch andere Fürsten bekannten sich zu Luthers Lehre, so die Herrscher Hessens, der Kurpfalz, Sachsens und Württembergs. Dies geschah aus Überzeugung, aber auch aus politischem Kalkül: Indem ein Landesfürst sich zur Reformation bekannte, streifte er die Autorität des Papstes ab, und damit auch die erdrückenden Abgaben an die Kurie. Dafür konnte er eine eigene, protestantische Landeskirche aufbauen und seine Position dem katholischen Kaiser gegenüber stärken. Die Reformation war also nicht mehr nur eine Sache der Theologen.
1530 präsentierten die evangelischen Fürsten auf dem Reichstag zu Augsburg das Augsburger Bekenntnis, das die Grundsätze des neuen Glaubens festlegte. 1531 schlossen sie sich im Schmalkaldischen Bund zusammen.
Kaiser Karl V. muss es gehasst haben, zuzusehen. Habsburg war eine Weltmacht, doch er konnte nicht energisch gegen die Reformation vorgehen, weil er ständig Krieg führen musste und oft außer Landes war. Frankreich kämpfte gegen die Umklammerung durch die Habsburger, und im Osten drangen die Osmanen immer weiter vor. 1529 standen die die Türken unter Süleiman dem Prächtigen vor Wien und der Kaiser musste sich mit den Fürsten einigen, damit er seinen Feldzug finanzieren konnte. 1532 schloss er den Nürnberger Religionsfrieden, der den Protestanten vorläufige Religionsfreiheit gewährte.
Die Landesherren
Anfang des 16. Jahrhunderts war Hermann von Wied (1515–1547) Erzbischof von Köln, während Herzog Wilhelm V., „der Reiche“ (1516–1592), über das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg regierte.
Der Kölner Erzbischof ging zunächst hart gegen Reformatoren und vermeintliche Ketzer vor. Doch als weitsichtiger Landesherr erkannte er den dringenden Reformbedarf innerhalb der katholischen Kirche. Nachdem seine jahrelangen Bemühungen um innerkirchliche Reformen erfolglos blieben, lud er schließlich Theologen der Reformation ins Land ein. Viele Menschen unterstützten ihn, da seine Neuerungen auf Zustimmung stießen. Dabei setzte Hermann keinen Zwang ein, sondern ermöglichte ein friedliches Nebeneinander der Konfessionen.
Herzog Wilhelm, ein aufgeschlossener Katholik und Humanist, verfolgte einen vermittelnden Ansatz zwischen den Glaubensrichtungen auf der Grundlage des Humanismus. Mehr zur „humanistischen Reform“ oder „Via media“ finden Sie hier (hier folgt ein Link). An seinem Hof fanden zahlreiche Humanisten Schutz, darunter sein Leibarzt Johann Weyer, der vor allem als früher Bekämpfer des Hexenwahns bekannt wurde, sowie der Kartograf Gerhard Mercator, dessen Karten des Bergischen Landes bis heute überliefert sind.
Der Streit um Geldern
Herzog Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg erbte durch dynastische Verbindungen auch das Herzogtum Geldern, das im heutigen Holland liegt. Doch dieser Anspruch des Herzogs wurde heftig angefochten, insbesondere von Kaiser Karl V. Die vereinten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg und Geldern hätten eine erhebliche regionale Macht im Reich bedeutet, die den Herrschaftsanspruch des Kaisers herausforderte. Zudem stand Wilhelm der Reformation offen gegenüber und suchte eine vermittelnde Haltung zwischen den Konfessionen, während Karl V. als katholischer Herrscher vehement gegen die Reformation vorging.
Diese politischen und religiösen Spannungen entluden sich im sogenannten Dritten Geldrischen Erbfolgekrieg. 1540 kam es in Honnef, nahe der Grenze zu den Niederlanden, zu ersten Gefechten zwischen den Truppen des Herzogs und kaiserlichen Soldaten, bei denen viele Häuser zerstört wurden. In einer zunehmend angespannten Lage suchte Wilhelm Unterstützung im Ausland. Zunächst verbündete er sich mit England und verheiratete 1540 seine Schwester Anna mit König Heinrich VIII. Doch die Ehe wurde bereits nach sechs Monaten aufgelöst, und der Versuch, England als Verbündeten zu gewinnen, scheiterte. Danach suchte Wilhelm den Schulterschluss mit Frankreich, um gegen die übermächtige Stellung des Kaisers vorzugehen.
Die politischen Rahmenbedingungen änderten sich jedoch rasch. Nach Jahren kriegerischer Auseinandersetzungen im Ausland kehrte Kaiser Karl V. zwischen 1543 und 1551 für längere Zeit ins Reich zurück und wollte nun seine Macht auch hier festigen. 1543 begann Karl V. eine militärische Offensive gegen Herzog Wilhelm. Drei Monate lang dauerte der Krieg, in dem weite Teile der Vereinigten Herzogtümer verwüstet wurden. Schließlich zwang der Kaiser den Herzog zur Kapitulation. Im Vertrag von Venlo 1543 musste Wilhelm auf alle Ansprüche an Geldern verzichten, das nun offiziell Teil der Habsburgischen Niederlande wurde.
Der Herzog musste auch zusagen, sich nicht der Reformation anzuschließen und strenger gegen Reformatoren in seinen Gebieten vorzugehen.
Der Kaiser schlägt zurück
Der Kölner Erzbischof Hermann von Wied hatte sich durch seine Reformen das Domkapitel zum Feind gemacht. 1545 wurde er zum Papst und zum Kaiser in Brüssel zitiert und 1547 abgesetzt.
In den folgenden Jahren kam es zu mehreren kriegerischen Auseinandersetzungen, insbesondere zum Schmalkaldischen Krieg (1546–1547), den Karl V. mit Hilfe seiner spanischen und italienischen Söldner für sich entscheiden konnte. Nach seinem Sieg versuchte der Kaiser, durch den Augsburger Interim 1548 eine vorübergehende religiöse Einigung zu erzwingen, doch stieß er auf massiven Widerstand.
Karls Sieg verschärfte auch den Druck auf Herzog Wilhelm: Nun musste er den Beweis liefern, dass sein Herzogtum römisch-katholisch blieb. 1550 beauftragte er seine Amtmänner mit einer Inspektion sämtlicher Pfarreien in seinem Territorium; er musste beweisen, dass die überwiegende Zahl der Geistlichen und ihrer Gemeinden katholisch war und Abweichler entfernt wurden. Die Protokolle dieser „Visitationen“ sind unsere wichtigste Quelle aus jener Zeit.
Augsburger Religionsfrieden (1555)
Doch die protestantischen Länder setzten das Augsburger Interim nur zögernd um, und auch die katholischen Fürsten fürchteten das spanische Übergewicht. Als Karl seinen Sohn Philipp II. von Spanien als Nachfolger vorschlug, rebellierten die Fürsten. Vereint und mit Unterstützung des französischen Königs bereiteten sie dem Kaiser eine vernichtende Niederlage. Karl V. musste fliehen.
Sein Bruder Ferdinand I. übernahm die Regierung in Deutschland (1556-1564) und schloss mit den Protestanten den Augsburger Religionsfrieden. Fortan sollte der Landesherr die Religion für sich und sein Gebiet bestimmen: „wessen Land, dessen Religion“. Doch nur das lutherische Bekenntnis wurde als dem katholischen gleichberechtigt anerkannt, nicht das reformierte. Eine weitere Bestimmung, der „geistliche Vorbehalt“ besagte, dass ein katholischer geistlicher Würdenträger, z.B ein Erzbischof, selbst durchaus Protestant werden konnte – sein erzbischöflicher Besitz aber verblieb bei der katholischen Kirche.
Im Herzogtum Berg konnte Herzog Wilhelm aufatmen.
Calvinisten
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts fand die Reformation im Rheinland mehr Anklang, doch nun wurde sie weniger von den Ideen Martin Luthers, sondern mehr von denen Jean Calvins getragen.
Die „Reformierte Kirche“ des Jean Calvin war 1541 in Genf entstanden und verbreitete sich schnell nach Frankreich, den Niederlanden, England und Schottland und später nach Nordamerika. Auch in Deutschland fand der Calvinismus Anhänger.
Auch in unserer Region gab es calvinistische Gemeinden, so in Niederdollendorf und Oberkassel. Doch es war gefährlich, sich zum Calvinismus zu bekennen, denn der Augsburger Religionsfrieden erkannte nur das lutherische Bekenntnis an, nicht aber das reformierte. Vor allem kämpften die calvinistischen Niederlande seit 1566 um ihre Unabhängigkeit vom habsburgischen Spanien. Da war es undenkbar, dass die habsburgische Obrigkeit im Reich calvinistische Gemeinden so nah an der Grenze duldete.
Täufer
Noch mehr als der Calvinismus hatte das Täufertum mennonitischer Prägung in den rechtsrheinischen Dörfern Fuß gefasst. In Ober- und Niederdollendorf, Oberkassel, Honnef und im erzbischöflichen Königswinter gab es Täufergemeinden.
Doch von Anfang an. Die Täuferbewegung entstand in den 1520er Jahren als radikale Strömung innerhalb der Reformation. Anders als Luther und andere Reformatoren forderten die Täufer eine umfassende Trennung von Kirche und Staat. Das war eine politisch brisante Forderung, und sie führte zu Verfolgungen durch die katholische und die protestantische Obrigkeit.
Meistens liest man „Wiedertäufer“, denn die Täufer lehnten die Kindertaufe ab. Sie glaubten, dass die Taufe nur auf den Glauben eines mündigen Erwachsenen folgen sollte, was sie zu Gegnern sowohl der katholischen Kirche als auch der etablierten protestantischen Kirchen machte.
Die Täuferbewegung breitete sich schnell in Teilen Deutschlands, der Schweiz und den Niederlanden aus. Sie war vielschichtig und umfasste Menschen, die Unrecht bewusst erduldeten, aber auch Gewaltbereite, denen jedes Mittel recht schien („Gottesstaat“ in Münster 1534/35).
Seit dem Reichstag von Speyer 1529 galt das „Wiedertäufermandat“. Täufer, die nicht abschworen, konnten sofort hingerichtet werden. Die Täufer in unserer Region waren gewaltlos, ja pazifistisch, aber auch sie wurden verfolgt. Zwar wurde das im Rheinland milder gehandhabt als in anderen Gegenden, doch auch hier kam es zu Hinrichtungen. 1565 wurde der aus Dollendorf stammenden Prediger Conrad Koch in Honnef hingerichtet.
Gegenreformation
Seit dem von Karl V. einberufenen Konzil von Trient ging die katholische Kirche und die katholische Obrigkeit daran, die Reformation zurückzudrängen – wenn es sein musste auch gewaltsam. In unserer Region kam die Gegenreformation zunächst nicht voran. Den meisten Menschen war religiöser Fanatismus fremd, zumal die Unterschiede zwischen den Konfessionen längst nicht jedem klar waren. Noch regierte in Berg Herzog Wilhelm V., der tolerante Landesherr, und noch hatte die harte Gegenreformation nicht die Mittel, sich überall durchzusetzen. Das sollte sich zum Ende des 16. Jahrhunderts ändern.
Reformation im Rheinland | Zum Weiterlesen
Herzog Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg im Portal Rheinische Geschichte, LVR
Glaubensspaltung und Erbfolgekriege
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