An der Grenze des Römischen Reiches

Römisches Bonn mit Legionslager und Steinbruch Drachenfels (Annäherung)
Römisches Bonn mit Legionslager und Steinbruch Drachenfels (Annäherung)

[Intro] Fast 500 Jahre lang war der Rhein die Grenze zwischen dem Römischen Reich auf der linken und dem freien Germanien auf der rechten Rheinseite. Was machten die Römer im Siebengebirge?

Die befestige römische Rheingrenze von Rheinland-Pfalz bis zur Nordseemündung in Holland ist seit Juli 2021 Weltkulturerbe. Sie ist Teil der Welterbestätte „Frontiers of the Roman Empire – Grenzen des Römischen Reiches“. Das schließt Bonn ein, denn das römische Bonna ganz im Süden der Provinz Germania war ein großer Legionsstandort und ein schmuckes Städtchen mit allem Komfort.

Beiträge in diesem Kapitel:

  • Römische Expansion am Rhein
    Caesar, der römische Truppen erst an den Rhein brachte, Agrippa, Drusus, Tiberius und auf der Gegenseite Arminius.
  • Germania Inferior
    Der Rhein war die Grenze und zugleich die Lebensader des römischen Germanien. Von Bonn im Süden bis an die Nordsee war römisches Militär stationiert.
  • Römische Steinbrüche am Drachenfels
    Am Drachenfels brachen die Römer Steine. In Bonn und Köln. ja sogar in Xanten und Nimwegen wurde mit Trachyt vom Drachenfels gebaut.
  • Bonner Legion I Minervia
    Im Legionslager Bonn war ab 83 die Legio I Minervia stationiert, und sie wurde für zweihundert Jahre die „Bonner Legion“.
  • Grenzgebiet und Römisches Bürgerrecht
    212 verlieh Kaiser Caracalla allen Freien in den Provinzen das römische Bürgerrecht. Auch die Bonner wurden römische Bürger.
  • Franken und Alamannen
    Doch die Raubzügen rechtsrheinischer Germanen über den Rhein häuften sich, und immer öfter kamen die römischen Truppen zu spät. Zudem wurden Truppen vom Rhein abgezogen, um im Osten zu kämpfen.
  • Das Ende der Römerzeit am Rhein
    Nach einem langen Abwehrkampf brach die Rheingrenze 401/402 zusammen. Schließlich, um das Jahr 455 herum, eroberten die Franken Köln.

Bewegende Begegnungen mit der Römerzeit

Die römische Geschichte in den Grenzregionen wie am Rhein ist oft vielschichtiger und emotional ergreifender, als es auf den ersten Blick erscheint. Oft stehen die großen Schlachten, Kaiser und politischen Umwälzungen im Vordergrund. Doch die persönlichen Schicksale, das Aufeinandertreffen von Kulturen und die Zerstörung von mühsam errichteten Lebenswelten, bewegen auch heute.

Caeliusstein

Die gewaltige, waffenstarrende und alles überrollende römische Militärmacht bekommt ein menschliches Gesicht, wenn man vor dem Caeliusstein im Rheinischen Landesmuseum in Bonn steht. Caelius, der Centurio der XIII. Legion, der in der Varusschlacht 9 n. Chr. umgekommen ist. 

Roms Expansion in Germanien
Roms Expansion in Germanien

Weihesteine für die Aufanischen Matronen

Votivsteine und andere Inschriften bieten uns eine direkte Verbindung zu den Menschen der Vergangenheit, und können uns viel über individuelle Schicksale, Ängste und Hoffnungen verraten. Sie sind ein persönlicher Zugang, denn die Menschen, die diese Steine setzten, hinterließen uns ihre Gedanken, Bitten und Dankesbekundungen. Jeder Stein ist ein Fenster in das Leben eines Menschen, sei es ein Soldat, der für Heilung betete, ein Händler, der für eine sichere Rückkehr dankte, oder ein Bürger, der inmitten der Krisen des Römischen Reiches Hoffnung auf göttlichen Beistand suchte. Einige von ihnen werden wir in diesem Kapitel treffen. Die Sorgen während der Feldzüge und der Seuche, den Dank eines Straßenpolizisten an der Rheintalstraße für das römische Bürgerrecht. 

Votivsteine an die Aufanischen Matronen, Rheinaue, Bonn
Votivsteine an die Aufanischen Matronen, Rheinaue, Bonn

Niederbieber

Doch die Zeit des relativen Friedens an der Rheingrenze endete im dritten Jahrhundert, als die  Großstämme der Alamannen und Franken immer wieder zu groß angelegten Raubzügen auf römisches Gebiet einbrache. Städte und Siedlungen, die über Jahrhunderte gewachsen waren, wurden niedergebrannt, Menschen vertrieben oder getötet. Orte wie das zerstörte Kastell Niederbieber in Neuwied sind ein Symbol für diese gewaltsame Zäsur. Selbst die mächtige römische Armee war nicht unbesiegbar; ganze Siedlungen und Kasernen erlagen dem stetigen Druck von äußeren Feinden und inneren Krisen. Die Vorstellung der Menschen, die dort lebten und kämpften, und die dann in einem so chaotischen und dramatischen Moment alles verloren, bewegt zutiefst. 

Die Gewalt, die am Ende das Reich erschütterte, zeigt, wie schnell alles zerbrechen kann, wenn Vertrauen verloren geht, wenn Machtkämpfe und Unsicherheiten überhandnehmen, wenn äußere und innere Kräfte anfangen, die Grundlagen der Gesellschaft zu zerstören. Was mich besonders bewegt, ist, wie sehr diese Ereignisse heutige Fragen spiegeln: Migration, Integration, kulturelles Miteinander und das Vertrauen, das aufgebaut und zerstört werden kann. 

Auch wenn der Rhein die Grenze zwischen dem Römischen Reich und Germania Magna war, müssen wir etwas genauer hinschauen. Die alte Vorstellung, dass der Rhein eine undurchlässige Grenze zwischen Römern auf der linken und „Barbaren“ auf der rechten Seite bildete, wird der historischen Realität nicht gerecht. Die Römer waren sowohl militärisch als auch wirtschaftlich auf der rechten Rheinseite aktiv. Auf der Rheinseite bauten sie zeitweise militärische Lager oder Beobachtungsposten wie das Kastell Niederbieber. In rohstoffreichen Gebieten wie dem Siebengebirge nutzten sie die natürlichen Ressourcen. So kann man den Drachenfels mit den römischen Steinbrüchen eher als Teil von Germania Inferior sehen, obwohl er geographisch auf der rechten, also der „germanischen“ Seite des Rheins steht.

Ein Aufeinandertreffen von Zivilisationen

Leider wissen wir kaum etwas von den Menschen, die zur Römerzeit in und um das Siebengebirge gelebt haben, denn die Archäologen haben in unserer Region nur wenige Funde aus der Römerzeit gemacht. Was wir wissen, stammt aus römischen Quellen. Direkt an der Grenze, im Militärgebiet, wird ein „normales“ Leben kaum möglich gewesen sein, weder für die Römer noch für die Germanen.

Die Geschichte des Römischen Reiches, besonders an den Grenzregionen wie dem Rhein, bietet unzählige faszinierende Facetten, die oft nicht so ausführlich behandelt werden. Die Rheingrenze und das Leben dort sind ein lebendiges Beispiel für das Aufeinandertreffen von Zivilisationen, und durch archäologische Funde und Inschriften wird uns ein Bild vermittelt, das in Geschichtsbüchern oft nur am Rande beleuchtet wird. Viele dieser Details stammen aus der Kombination von archäologischen Befunden, Inschriftenfunden und dem Studium antiker Texte, die das Leben der römischen Soldaten, Beamten und Zivilisten an den Grenzen greifbarer machen. Funde wie Votivsteine, Münzen, Gräber und Überreste von Lagern und Kastellen helfen uns, das Leben in diesen Außenposten besser zu verstehen.

Römisches Schiff, Rhein und Siebengebirge
Römisches Schiff, Rhein und Siebengebirge

Leben an der Rheingrenze

Geschichtsbücher berichten längst nicht alles, deshalb graben wir hier ein bisschen tiefer. In der längeren Geschichte mit eigener Subdomain

Leben an der Rheingrenze – eine römisch-ubische Familie am Rhein

begleiten wir eine römisch-ubische Familie, die über Generationen hier lebte, von den ersten Tagen der Legio I Germanica in Bonn bis zu den Frankeneinfällen im dritten Jahrhundert. Die Männer waren Soldaten der Bonner Legion oder der Flotte, und sie betrieben auch Handel, eine kleine Gastronomie und einen Verpflegungsstand bei den Steinbrüchen am Drachenfels.

Ein ambivalentes Vermächtnis

Das römische Erbe ist in vielerlei Hinsicht ein ambivalentes Vermächtnis. Auf der einen Seite steht die Macht des Imperiums, Eroberung und Kontrolle über das Land, was viele Germanen als Unterwerfung empfanden. Auf der anderen Seite haben die Römer nicht nur erobert, sondern auch kulturell geprägt und Dinge hinterlassen, die bis heute Teil unserer Welt sind – sei es in der Sprache, im Recht oder in der Infrastruktur.

Das Verhältnis zwischen Römern und Germanen war keineswegs nur von Feindseligkeit geprägt.  Wir können uns die Region am Rhein eher wie ein Mosaik vorstellen, mit römischen Städten, germanischen Dörfern, und dem Rhein, der sowohl Grenze als auch Lebensader des römischen Germania Inferior war. Es gab Handelsbeziehungen und kulturellem Austausch, doch dazwischen auch Machtkämpfe auf beiden Seiten. Das Miteinander, oder jedenfalls friedliche Nebeneinander, das Römer und Germanen an der Rheingrenze entwickelt hatten, war nicht perfekt, aber es war ein Schritt hin zu einem friedlichen Zusammenleben.

Zum Weiterlesen:

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*