Das Krisenjahr 1923

Siebengebirge von Rolandseck, französische Besatzung 1923
Siebengebirge von Rolandseck, französische Besatzung 1923

Hoffen auf die Rentenmark

Im November war die Mark auf ein Billionstel ihres Goldwertes gesunken, im Umlauf befanden sich 320 Trillionen Mark. Hilfe konnte nur eine neue, gesunde Währung bringen. Mitte November führte Finanzminister Dr. Luther die Rentenmark ein. Die Reichsbank hatte den Wechselkurs zur Papiermark auf 1:1 Billion festgesetzt, den Devisenkurs auf 4,2 Billionen Papiermark = 1 US-Dollar, das entsprach der Vorkriegsparität zum Golddollar. Als Notlösung war die Rentenmark durch Grund und Boden, also Sachwerte gedeckt.

Obwohl die Ausgaben rigoros eingeschränkt und die Steuern erhöht wurden, war die Stabilität der Währung für viele Menschen der erste Lichtblick zum Ende eines schlimmen Jahres.

Nicht aber für die Menschen in den besetzen Gebieten an Rhein und Ruhr, hier wurde die Rentenmark nicht eingeführt. Ohne Sanktionsmöglichkeiten, so fürchtete die französische Seite, könnte die Reichsregierung auch die neue Währung „verrecken“ lassen, um sich um die Reparationszahlungen zu drücken.

Finanzminister Luther trieb die Sorge um den Geldwert um: Damit die Rentenmark stabil blieb, musste sie knapp gehalten bleiben, und dafür musste man in letzter Konsequenz die gewaltigen Unterstützungsleistungen für die besetzten Gebiete zusammenstreichen oder gar ganz einstellen.

Kabinettskrise

Die SPD-Fraktion im Reichstag war empört, dass die Regierung Stresemann gegen die linken Regierungen in Sachsen und Thüringen die Reichswehr geschickt hatte, nicht aber gegen die Rechtsdiktatur in Bayern. Aus Protest waren die SPD-Minister aus dem Kabinett ausgetreten, Stresemann war Kanzler eines Minderheitenkabinetts auf Abruf. Am 23. November verlor er eine Vertrauensabstimmung im Reichstag und trat zurück. Als Außenminister gehörte er allen Regierungen bis zu seinem Tod 1929 an. Neuer Regierungschef wurde der Kölner Wilhelm Marx (Zentrum).

Verzweiflung im Rheinland

Auf den Schultern des Reichskanzlers aus Köln lastete eine gewaltige Aufgabe: Als Reichkanzler trug er die Verantwortung für das ganze Reich, aber er konnte doch nicht dafür den Kollaps des Rheinlandes in Kauf nehmen!

Doch was sollte nun aus den besetzten Gebieten werden? Monatelang hatten die Menschen  gekämpft, Entbehrungen ertragen und dem zermürbenden Druck standgehalten. Und nun sah es so aus, als wäre alles umsonst gewesen. Kein einziger ausländischer Soldat war abgezogen. Auch wirtschaftlich verschärfte der Abbruch die Lage noch einmal.

Außenpolitische Wende

In Frankreich wähnte sich Ministerpräsident Poincaré am Ziel, denn eine entscheidende Schwächung Deutschlands schien greifbar nah. Doch die Separatisten konnten sich ohne französisches Militär nicht halten, und die hohen Kosten der Ruhrbesetzung führten auch in Frankreich zu einer Krise. Aus Sicht Englands war es nun an Frankreich, an einer Lösung mitzuarbeiten. Schließlich stimmte Frankreich der Einsetzung einer internationalen Kommission unter dem amerikanischen Finanzexperten Dawes zu. Sie sollte die deutsche Zahlungsfähigkeit prüfen und ein Reparationsabkommen vorbereiten. England hatte keine Sympathien für die Separatisten, und Frankreich rückte schließlich auch von ihnen ab.

Weihnachtsansprache 1923

Am ersten Weihnachtstag 1923 sollte zum allerersten Mal ein Reichkanzler über das Radio zu den Menschen sprechen; damals ein ganz neues Medium.

Reichskanzler Marx dankte dem Ausland für die Unterstützung der Notleidenden in Deutschland. „Diese Hilfsbereitschaft menschlich Denkender in allen Ländern der Welt ist wie ein Lichtzeichen, das uns Hoffnung leuchtet in der Finsternis“, sagte er.

Hoffnung .. Lichtzeichen .. einige gab es ja. Mitte November hatten sich die Französisch-Belgische Kontrollkommission mit den Vertretern der Ruhr-Industrie geeinigt; seitdem drehten sich die Räder wieder im Ruhrgebiet. 

Doch die demoralisierten Menschen im Rheinland sahen noch kein Licht am Ende des Tunnels. Wenigstens wurde die Erwerbslosenfürsorge mindestens bis zu 31. März 1924 bewilligt.

Das Ende der Separatisten

Mit der Rheinischen Republik war es vorbei, in Koblenz trat Matthes am 27. November zurück. Er und Dorten gingen schließlich nach Frankreich. Die „Rheinland-Schutztruppen“ wurden aufgelöst.

Die Pfälzer Separatisten fanden ein schreckliches Ende. Am 9. Januar 1924 wurden Heinz und enge Gefolgsleute in Speyer von Angehörigen des Bundes Wiking ermordet, mit Billigung der bayerischen Regierung.

Am 12. Februar 1924 steckte eine Menschenmenge das Bezirksamt in Pirmasens in Brand und stürmte es. Sechzehn Separatisten fielen dabei oder wurden anschließend gelyncht, auch unter den Angreifern gab es sechs Tote und zwölf Schwerverletzte.

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Bild- und Quellenachweis

Die folgenden Bild stammen aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und stehen unter der Creative Commons Lizenz 3.0.

  • Dortmund, Hauptbahnhof, Bundesarchiv, Bild 102-00025 / CC-BY-SA 3.0
  • Inflation, Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft „Butter-Handlung“ der Gebrüder Groh, Hoflieferanten, Bundesarchiv, Bild 146-1971-109-42 / CC-BY-SA 3.0. Der farbige Text unten rechts wurde ergänzt.

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