Das Krisenjahr 1923

Weimarer Republik, Krisenjahr 1923, Französiche Truppen in Bonn
Französiche Truppen in Bonn

Kampf im Siebengebirge

Am 10. November besetzten Separatisten das Rathaus in Linz, am 12. November Bad Honnef. Die Separatisten fuhren wiederholt in die umliegenden Dörfer, um Lebensmittel zu requirieren, oder, aus Sicht der Menschen dort, zu stehlen. „Sicherheitswehren“ wurden gebildet. Drohte Gefahr, wurden sie durch Werkssirenen und Alarmglocken mobilisiert.

14. November 1923

Am Abend des 14. November saßen auch die Heimwehren aus Aegidienberg und Umgebung in einer Aegidienberger Gaststätte zusammen und bereiteten sich auf drohende Plünderungen vor. Bergbauingenieur Hermann Schneider, ein erfahrener Frontoffizier, übernahm die Führung. Obwohl das Waffentragen verboten war, sammelte man was immer man finden konnte: Karabiner und Handfeuerwaffen aus dem Krieg ebenso wie Äxten, Knüppeln und Heugabeln. Lebensmittel wurden gespendet. Gegen die Zusage der Bauern, sie mit Lebensmitteln zu versorgen, schlossen sich auch Arbeiter der Heimwehr an.

15. November 1923

Am Nachmittag des 15. November fuhren zwei mit Separatisten besetzte Fahrzeuge in den Aegidienberger Ortsteil Himberg ein. Dort standen dreißig bewaffnete Steinbrucharbeiter Wache. Peter Staffel, ein junger Schmied aus Hühnerberg, trat zu dem ersten Wagen und wollten die Separatisten zum Abzug bewegen. Er wurde sofort erschossen. Die Steinbrucharbeiter eröffneten das Feuer, die Separatisten flohen ins Schmelztal, Richtung Honnef. Auf dem Weg stießen sie auf die gut verschanzten Truppen Hermann Schneiders, die ihre Fahrzeuge erbeuteten und sie endgültig in die Flucht schlugen. Bei dem Gasthof Jagdhaus im Schmelztal sammelten sich die Separatisten und forderten Verstärkung an.

16. November 1923

Am nächsten Tag, es war der 16. November, zogen eine starke Separatistentruppen Richtung Aegidienberg. Ein Truppenteil unter der Führung eines Herrn Rang fand bei Hövel eine Lücke in der Verteidigungslinie. Fünf Einwohner wurden als Geiseln genommen und, an Pfähle gefesselt, in die Schusslinie gegen die anrückenden Verteidiger gestellt. Eine der Geiseln, Theodor Weinz, kam dabei um. Inzwischen waren Kämpfer der Sicherheitswehr aus allen Gegenden herbeigeeilt und machten nun Jagd auf die „heillos Flüchtenden“. Mindestens vierzehn Separatisten wurden getötet, die meisten starben durch Axthiebe. Später wurden sie auf dem Aegidienberger Friedhof in einem Massengrab ohne Namensnennung bestattet.

Hoffen auf die Rentenmark

Im November war die Mark auf ein Billionstel ihres Goldwertes gesunken, im Umlauf befanden sich 320 Trillionen Mark. Hilfe konnte nur eine neue, gesunde Währung bringen. Mitte November führte Finanzminister Dr. Luther die Rentenmark ein. Die Reichsbank hatte den Wechselkurs zur Papiermark auf 1:1 Billion festgesetzt, den Devisenkurs auf 4,2 Billionen Papiermark = 1 US-Dollar, das entsprach der Vorkriegsparität zum Golddollar. Als Notlösung war die Rentenmark durch Grund und Boden, also Sachwerte gedeckt.

Obwohl die Ausgaben rigoros eingeschränkt und die Steuern erhöht wurden, war die Stabilität der Währung für viele Menschen der erste Lichtblick zum Ende eines schlimmen Jahres.

Kabinettskrise

Die SPD-Fraktion im Reichstag war empört, dass die Regierung Stresemann gegen die linken Regierungen in Sachsen und Thüringen die Reichswehr geschickt hatte, nicht aber gegen die Rechtsdiktatur in Bayern. Aus Protest waren die SPD-Minister aus dem Kabinett ausgetreten, Stresemann war Kanzler eines Minderheitenkabinetts auf Abruf. Am 23. November verlor er eine Vertrauensabstimmung im Reichstag und trat zurück. Als Außenminister gehörte er allen Regierungen bis zu seinem Tod 1929 an. Neuer Regierungschef wurde der Kölner Wilhelm Marx (Zentrum).

Außenpolitische Wende

In Frankreich wähnte sich Ministerpräsident Poincaré am Ziel, denn eine entscheidende Schwächung Deutschlands schien greifbar nah. Doch die Separatisten konnten sich ohne französisches Militär nicht halten, und die hohen Kosten der Ruhrbesetzung führten auch in Frankreich zu einer Krise. Aus Sicht Englands war es nun an Frankreich, an einer Lösung mitzuarbeiten. Schließlich stimmte Frankreich der Einsetzung einer internationalen Kommission unter dem amerikanischen Finanzexperten Dawes zu. Sie sollte die deutsche Zahlungsfähigkeit prüfen und ein Reparationsabkommen vorbereiten. England hatte keine Sympathien für die Separatisten, und Frankreich rückte schließlich auch von ihnen ab.

Das Ende der Rheinischen Republik

Politisch war es vorbei mit der Rheinischen Republik, und ohne die Unterstützung der französischen Besatzungsmacht stand sie auf verlorenem Posten. In Koblenz trat Matthes am 27. November zurück. Er und Dorten gingen schließlich nach Frankreich. Die „Rheinland-Schutztruppen“ wurden aufgelöst. Wer Glück hatte, bekam von den Franzosen ein wenig Geld und einen Anzug, der Rest blieb seinem Schicksal überlassen. Am 17. Januar 1924 zogen die Separatisten aus Königswinter ab.

Die Pfälzer Separatisten fanden ein schreckliches Ende. Am 9. Januar 1924 wurden Heinz und enge Gefolgsleute in Speyer von Angehörigen des Bundes Wiking ermordet, mit Billigung der bayerischen Regierung.

Am 12. Februar 1924 steckte eine Menschenmenge das Bezirksamt in Pirmasens in Brand und stürmte es. Sechzehn Separatisten fielen dabei oder wurden anschließend gelyncht, auch unter den Angreifern gab es sechs Tote und zwölf Schwerverletzte.

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Bild- und Quellenachweis

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  • Dortmund, Hauptbahnhof, Bundesarchiv, Bild 102-00025 / CC-BY-SA 3.0
  • Inflation, Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft „Butter-Handlung“ der Gebrüder Groh, Hoflieferanten, Bundesarchiv, Bild 146-1971-109-42 / CC-BY-SA 3.0

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