Revolution 1848/49 – Schurz und Kinkel

Auflösung des Rumpfparlaments, 1849
Auflösung des Rumpfparlaments, 1849

Badisch-pfälzischer Aufstand

Als die preußische Abgeordnetenkammer im Mai die Paulskirchenverfassung anerkannte, hatte sie nach Meinung der Krone ihre Kompetenzen überschritten. Friedrich Wilhelm IV. löste sie auf und setzte für Juni 1849 Neuwahlen an. Mit einer Notverordnung wurde anstelle des allgemeinen und gleichen Wahlrechts ein Dreiklassenwahlrecht verfügt – das soll andere Mehrheiten bringen. Die Revolution 1848/49 drohte zu scheitérn, und auch die Bonner Demokraten um Kinkel und Schurz waren tief enttäuscht.

Neue Kämpfe brachen aus, eine zweite demokratische Aufstandsbewegung vor allem in Sachsen, Baden, der preußischen Rheinprovinz mit Westfalen und der bayrischen Rheinpfalz wollte die Fürsten zur Annahme der Paulskirchenverfassung zwingen. In Baden hatte sich fast die ganze Armee des Großherzogtums ihr angeschlossen und den Aufständischen die Festung Rastatt in die Hände geliefert. Fürst Leopold von Baden rief preußische Soldaten zu Hilfe, und König Friedrich Wilhelm IV. zögerte keinen Augenblick – preußische Truppen, angeführt vom Prinzen Wilhelm, sollten den Aufstand niederschlagen.

Auch in der Rheinprovinz wurden Männer einberufen. Für viele hieß das, gegen die eigene Überzeugung zu handeln; schon kam es zu ersten Aufständen in Elberfeld. Der König von Preußen hatte eine Verständigung mit der Krone und auch die Hoffnung auf sozialer Reformen zunichte gemacht. Nun blieb nur der Kampf, um die Reichsverfassung und die nationale Einheit in Freiheit noch zu retten.

Als anerkannter demokratischer Führer in Bonn zögerte Kinkel keinen Augenblick. Zunächst würde man sich die Waffen der Landwehr aus dem Zeughaus in Siegburg holen, und dann mit den Aufständischen in Elberfeld kämpfen und den Aufstand nach allen Seiten ausbreiten. Die Zeit drängte, denn auf den 11. Mai war die Landwehr des Distrikts nach Siegburg berufen.

Schurz‘ Abschied vom Rheinland

In Bonn verabschiedete sich der junge Student Carl Schurz von seiner Familie, um mit seinem Professor Gottfried Kinkel und anderen demokratisch gesinnten Menschen für die Revolution zu kämpfen. Er ahnte, dass es zu spät ist.

„Ehe ich das Haus verließ, verweilte ich noch einen Augenblick in meinem Zimmer. Wir wohnten damals auf der Koblenzer Straße und von meinem Fenster hatte ich einen freien Blick auf den Rhein und das Siebengebirge, jene Aussicht, die an Lieblichkeit in der ganzen Welt ihresgleichen sucht. Wie oft hatte ich, in den Anblick dieses anmutigen Bildes versunken, mir träumend eine schöne, ruhige Zukunft aufgebaut! Nun konnte ich in der Dunkelheit nur die Konturen meiner geliebten Berge gegen den Horizont stehend unterscheiden. [..] Ein instinktives Gefühl sagte mir, daß es damit nun wirklich vorbei sei. Ich ließ alles liegen, wie es eben lag, kehrte der Vergangenheit den Rücken und ging meinem Schicksal entgegen.

(Carl Schurz, Lebenserinnerungen, Band 1)

In der Nacht vom 10./11. Mai 1849 zogen 120 Bürgern und Studenten, unter ihnen Kinkel und Schurz, zum Zeughaus in Siegburg, um sich die dort aufbewahrten Waffen der Landwehr anzueignen. Doch das Unternehmen scheiterte.

Festung Rastatt

Um die Revolution 1848/49 zu retten, gingen Kinkel und Schurz nach Baden und kämpften im badisch-pfälzischen Aufstand mit. Aber die Freischärler hatten den preußischen Truppen nichts entgegenzusetzen. Kinkel wurde verletzt und geriet in Haft. Schurz war mit anderen Aufständischen in der Festung Rastatt eingeschlossen. Am 23. Juli 1849 war die Lage aussichtslos; die Aufständischen kapitulierten, um wenigstens der Zivilbevölkerung weiteres Leid zu ersparen. Als preußischem Bürger drohte Schurz die Exekution, doch mit viel Glück entkam er im letzten Moment durch einen Abwasserkanal.

Befreiungsaktion

Ein Jahr später am 7. November 1850, befreite Schurz Kinkel in einer tollkühnen Aktion aus dem Zuchthaus in Spandau, beide flohen und lebten eine Weile in England. Dann entschloss sich Carl Schurz, mit seiner Frau nach Amerika auszuwandern. Hier wurde er später ein enger Mitarbeiter von Präsidenten Lincoln und schließlich Minister im Kabinett von Präsident Hayes.

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Bittere Not und religiöse Bedrängnis machen die Auswanderung ins ferne Nordamerika zu einer Alternative, obwohl man kaum etwas darüber wusste. Darum geht es in der Geschichte Zuhause am Rhein und in Amerika – rheinische Auswanderer in den USA. Wir begleiten Menschen aus unserer Region, die ihre geliebte Heimat verließen, um Not und Verfolgung zu entkommen und sich in Amerika ein neues Leben aufbauten. Diese längere Geschichte hat eine eigene Subdomain.

Revolution 1848/49, zum Weiterlesen
Portal Rheinische Geschichte, LVR, 1815 bis-1848 – Vom Wiener Kongress zur Revolution

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2 Kommentare

  1. Ich war heute zufällig am Zeughaus in Siegburg und habe (obwohl ich hier schon fast 45 Jahre lebe) zum ersten Mal die am Gebäude angebrachte Gedenktafel bemerkt,die auf Kinkel und Schurz hinweist. Weil neugierig, bin ich auf Ihre informative Seite gestoßen und weiss jetzt mehr. Gut gemacht.

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